Vor ein paar Jahren wurde ein Artikel von mir in der Zeitschrift "Joyce" abgedruckt. Nachdem er gut zum Jahreswechsel passt, dürft ihr ihn (noch einmal) lesen. Ergänzt mit aktuellen Anmerkungen, ich konnte es einfach nicht lassen. Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Joyce
Neujahresvorsätze mal anders
... Letztes Jahr war ein besonderes Jahr. Ich hatte beschlossen, meine Neujahresvorsätze doch mal anders anzugehen. Es sollte nicht wieder "Ich will abnehmen. Ich will mehr Sport machen. Ich will ein besserer Mensch sein ..." werden, sondern etwas Konkretes. Zwölf Monate, zwölf Projekte. Die Ideen sprudelten. Was wäre sinnvoll, was realistisch, was würde mich weiterbringen? Ich ließ Gedanken kommen, bewegte sie in Kopf und Herz und habe auch manches mit meinem Mann besprochen. Ziemlich schnell waren dann die ersten Monate gefüllt. Ein bunter Blumenstrauß aus allen möglichen Bereichen meines Lebens (Glaube, Muttersein, Freizeit, Beruf) entstand vor meinem inneren Auge:
- einen Monat lang jeden Sonntag einen Gottesdienst besuchen
- ein Gedicht auswendig lernen und mich einen Monat lang intensiv damit auseinandersetzen
- einen Psam für mich persönlich auswählen und lernen
- ein Buch in englischer Sprache lesen
- mit jedem Kind ein besonderes Projekt angehen
- meine erste Marmelade kochen
- meine Querflöte mal wieder auspacken und einen Monat lang jeden Tag ein paar Minuten spielen
- eine Fortbildung besuchen, um endlich zu lernen, wie man Präsentationen am PC erstellt
- mit den Farbpigmenten aus unserem Frankreichurlaub ein Bild malen
Januar: Gottesdienst
Den Januar begann ich mit regelmäßigen Gottesdienstbesuchen. Das ist für viele Christen eine Selbstverständlich-keit. Ich aber befülle meinen Glaubenstank in unserem Frauenkreis und bin eine unregelmäßige Kirchenbesucherin. Ich bin da, wenn mein Mann und ich als Musiker eingeteilt sind. Gemeinsam Musik zu machen ist etwas ganz Beson-deres, einer Predigt folge ich aber deutlich entspannter und aufmerksamer, wenn ich keine Mitverantwortung für das Gelingen des Gottesdienstes trage. Völlig unabhängig vom eingeteilten Pfarrer (in unserer "Lieblingskirche" gibt es ein Rotationssystem) waren wir als Familie jeden Sonntag in der Kirche. An einem Sonntag sogar zweimal. Weil unsere Tochter bei den Sternsingern mitmachte, erlebten wir vormittags einen evangelischen und nachmittags einen katholischen Gottesdienst. Ich kann mich an viele wertvolle Gedankenanstöße erinnern. Außerdem war es schön, am Sonntagmorgen unsere Freunde zu treffen und anschließend bei einer Tasse Kaffee im Gemeindehaus noch mitein-ander ins Gespräch zu kommen.
Februar: Gedicht
Ende Januar machte ich mich auf die Suche nach einem Gedicht für den nächsten Monat. Schon längere Zeit hatten mich zweierlei Fragmente angesprochen. Dank Suchmaschine konnte ich "Und meine Seele spannte weit ihre Flügel aus, flog durch die stillen Lande, als flöge sie nach Haus" dem Gedicht "Mondnacht" von Joseph Freiherr von Eichen-dorff zuordnen. Bei Hermann Hesses "Stufen" fand ich die Zeilen "Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben." Nachdem ich mich nicht zwischen den beiden Gedichten entscheiden konnte, lernte ich beide. Bei "Mondnacht" ging das schnell. Die Verse sind eingängig und leicht zu behalten. "Stufen" war sperriger. Die unterschiedlichen Versformen machten es meinem von der Auswendiglernerei entwöhnten Gehirn schwer, dabei zu bleiben. Und dennoch, oder vielleicht gerade deswegen, ist mir dieses Gedicht sehr nahe gekommen. Ich musste es mir teilweise erkämpfen. In Erinnerung ist mir eine Walkingrunde durch den Wald (die guten alten Bewegungsvorsätze konnte ich doch nicht völlig abstellen), in der ich mich wirklich Stück für Stück wieder an einzelne Verse erinnerte und sie zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügte. Das wühlte so viel in mir auf, dass ich - zu Hause angekommen - erst einmal meine Gefühle und Gedanken zu Papier brache. Daraus entwickelte sich spä-ter übrigens ein ganzer Frauenkreisabend. Aber das ist ein Thema für sich.
(Das Gedichtelernen ist mir geblieben. Eichendorff und Hesse sind immer noch meine Favoriten. Inzwischen ist Rilke dazugekommen. Es ist einfach eine der schönsten Möglichkeiten, seine grauen Zellen auf Trab zu halten.)
März: Bild
Die Stimmung des Gedichts "Mondnacht" griff ich in meinem März-Vorhaben wieder auf, indem ich ein Bild dazu malte. (Ich male nach wie vor gerne. Am liebsten in meine Bible Art Journaling-Bibel.)
April: Buch
Im April lieh ich mir ein Buch von einer guten Freundin, die ihre (bewundernswerten) Englischkenntnisse durch eng-lischsprachige Bücher und DVDs so gut gepflegt hat, dass ihr der berufliche Wiedereinstieg, der das Beherrschen eben dieser Sprache voraussetzt, glänzend gelungen ist. Ich liebe Krimis und bekam einen von meiner Lieblings-autorin. Erstaunlicherweise verlief dieses Vorhaben, vor dem ich größeren Respekt gehegt hatte, recht entspannt. Es ist halt doch was hängen geblieben in acht Jahren Englischunterricht.
(Bücher sind wirklich eine unterhaltsame Möglichkeit, sein Englisch aufzufrischen. Leider raffe ich mich selten dazu auf. Das letzte Buch habe ich im Sommerurlaub in Schottland gelesen. Da hat es am meisten Spaß gemacht.)
Mai: Kurs
Im Mai habe ich an drei Abenden die Kunst, eine Power-Point-Präsentation zu erstellen, gelernt. Schlicht und einfach über einen Volkshochschulkurs. In meiner ersten Euphorie erstellte ich gleich eine Präsentation für den Unterricht. Meine Schüler sind allerdings noch nicht in den Genuss gekommen. Naja, es braucht ja auch noch Vorsätze für die-ses Jahr. (Ich muss gestehen, dass die Power-Point-Präsentation keinen festen Platz in meinem Unterricht bekommen hat. Irgendwie bin ich wohl doch "oldschool" und überlasse die Präsentationen lieber meinen Schülern für ihre Referate.)
Juli: Marmelade
Erwähnungswert ist noch das Projekt "Marmelade kochen". Mein Mann war an einem Juliwochenende mit seinem Patenkind und unserer jüngeren Tochter zum Papa-Kind-Zelten aufgebrochen. Unsere Große (fast 11 Jahre) konnte dem Ganzen wenig abgewinnen und war bei mir geblieben. Wir näherten uns dem Marmeladen-Projekt mit den allerbesten Vorsätzen. Es sollte keine "50 % Fruch-50 % Gelierzucker"-Marmelade werden. Wir kauften regionale Erd-beeren und Agar-Agar aus dem Biomarkt. Laut Rezept lieferte eine mitgekochte Dattel die gesunde Süße. Während die Masse kochte, kreierte meine Tochter Sophia einzigartig schöne Etiketten, versehen mit den Aufschriften "bio", "vegan" etc. Die Erwartungen an das Frühstück am nächsten Morgen waren immens. Leider musste die Marmelade mit dem Messer geschnitten werden. Das Agar-Agar hatte ganze Arbeit geleistet, die Konsistenz des Frucht-aufstrichs glich der von Schnittkäse. Vermutlich hätten wir den "Erdbeerkäse" sogar gegessen, wenn er nach etwas geschmeckt hätte. Um es kurz zu machen: Sollten wir mal wieder Marmelade kochen, nehmen wir ganz normalen Gelierzucken ... (Wie ich inzwischen festgestellt habe, gibt es auch 1:3 Gelierzucker)
Wiedereinstieg im November: Psalm
Irgendwo im Sommer ist mein Projekt hängen geblieben, bevor ich dann im November mit der Suche nach einem Psalm wieder eingestiegen bin. Die Auswahl fiel mir ziemlich schwer, hatte ich doch erwartet, dass mir zumindest einer der 150 Verse so aus der Seele sprechen würde, dass mir klar wäre: Das ist mein Psalm! Im Gegensatz zu den Gedichten, bei denen ich mich nicht entscheiden konnte und deshalb zwei gewählt hatte, wurde aus dem Auswen-diglernen ein Sich-durch-alle-Psalmen-Lesen. Manchmal kommt es eben anders als man denkt.
(Mittlerweile habe ich meinen Zugang zu den Psalmen gefunden: Ich journale sie --> siehe Kategorie "Bible Art Journaling")
Blick zurück
Wenn einiges auch nicht so ablief, wie ich das zu Beginn meiners 12-Monate-Projekts geplant hatte, kann ich es doch ohne Einschränkungen weiterempfehlen. Beim Zurückdenken habe ich viele besondere, lustige und wertvolle Momente noch einmal erlebt, festgemacht an bestimmten Monaten und damit nicht so flüchtig und leicht zu vergessen wie viele andere "gute" Vorsätze aus den Jahren zuvor.
Für 2015 haben wir uns einen neuen bunten Blumenstrauß an Vorhaben zusammengestellt. Diesmal als Familie. Jeder von uns hat drei Monate, in denen er sich ein besonderes Erlebnis wünschen kann. Einzige Bedingung: Es muss machbar sein und die ganze Familie beteiligen.
Und wenn wir mal in irgendeinem Monat hängenbleiben, habe ich eines aus dem vergangenen Jahr gelernt: Ein Wiedereinstieg ist jederzeit möglich ...
(Auch das "Projekt 2015" hakte an der einen oder anderen Stellen und ist mir dennoch in lebendiger Erinnerung geblieben)
Habt ihr Neujahresvorsätze?
Wie ich so hier sitze, bekomme ich glatt wieder Lust, mir konkrete Monatsziele vorzunehmen. Offen für Umsetzung und Ausgang und voller Vorfreude auf die Erinnerungen, die ich damit schaffe.
Im nächsten Blogpost stelle ich euch eine Möglichkeit vor, wie man als Familie den Rückblick auf das vergangene Jahr gestalten kann. Damit die schönen Erinnerungen auch gewürdigt werden. Bis bald und "Happy New Year!"
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