Martha vom Blog FamilienLebenmitGott hat eine Blogparade ins Leben gerufen. Unter dem Hashtag #gemeinsamglauben geht es dabei um die Frage "Was bedeutet mir (m)eine Gemeinde?". Eine gute, wichtige und gar nicht so einfach zu beantwortende Frage, finde ich, will aber versuchen, mich ihr zu nähern.
Dazu gehe ich erstmal einige Zeit zurück in die Gemeinde meiner Kindheit. Als ich geboren wurde, war Deutschland noch ein zweigeteiltes Land. Während es in der einen Hälfte sogar Parteien gab, die ein "C" für "christlich" im Namen hatten, wurde Christsein in der anderen Hälfte vom Staat eher misstrauisch beäugt und geduldet. Das war der Teil Deutschlands, in dem ich geboren wurde. Wie genau meine Eltern an ihre Kirchengemeinde in Leipzig kamen, weiß ich gar nicht (da muss ich glatt mal nachfragen). Meiner Erinnerung nach müsste das gegen Ende meiner Kindergartenzeit gewesen sein. Jedenfalls besuchte ich dann die Christenlehre, eine Art Mischung aus Kinderstunde, wie man sie in unseren Gemeinden kennt, und Religionsunterricht, den es in der DDR ja nicht gab. Getauft wurde ich mit sieben Jahren, gleichzeitig ließen sich meine Eltern kirchlich trauen. Ich habe eine lebendige Gemeinde in Erinnerung. Der Pfarrer war jung und motiviert, seine Kinder in meinem Alter. Es gab Feste, Ausflüge und gemeinsame Aktionen. Und wir gehörten dazu. Ob wir sonntags wirklich regelmäßig in der Kirche waren, weiß ich nicht mehr. Als ich acht Jahre alt war, wurde der Ausreiseantrag meiner Eltern nach vier Jahren Wartezeit und diversen Schikanen genehmigt und wir zogen nach Franken. Gemeindeanschluss haben meine Eltern irgendwie nicht mehr gefunden. Ob ihnen das gefehlt hat? Ob sie aktiv danach Ausschau hielten?
Ich habe mir die Frage gestellt, was sie damals eigentlich in ihrer Kirchengemeinde gesucht und gefunden haben. Es war eine Mischung, denke ich, aus einem guten Freundeskreis und dem Protest gegen das DDR-Regime. Man wurde misstrauisch beobachtet als Christ. Der Staat hatte scheinbar Angst vor dieser ihm suspekten Minderheit. Sogar wir Kinder wurden bei der Klassenbildung aufgeteilt. Nur nicht zu viele Christen in einer Klasse. Ich glaube, das hat zusammengeschweißt. Man fragt sich ja manchmal, warum es in Ländern, wo Menschen für ihren Glauben verfolgt werden, so lebendige Gemeinden gibt, während bei uns die Zahl der Kirchenmitglieder stark zurückgeht. Auch, wenn es in der DDR nicht um Leben und Tod ging, sondern "nur" um die Zulassung zum Studium oder Ähnlichem, verstärkt es wohl den Zusammenhalt einer Gruppe, wenn sie sich als "verfolgte Minderheit" erlebt.
Nach dem Umzug haben sich meine Eltern - wie gesagt - keiner Kirchengemeinde mehr fest angeschlossen. Ich schnupperte ein bisschen in eine katholische Kindergruppe. Rund um die Konfirmation war dann meine geistliche Wüstenzeit. Es sollte einfach nicht jeder Pfarrer mit Konfirmanden arbeiten. Man kann gerade in dieser sensiblen Zeit so viel an Glauben zerstören.
Verglichen mit der Entwicklung eines Kindes, bin ich mit ungefähr 17 Jahren die ersten eigenen Schritte auf meinem Glaubensweg gegangen. Ziemlich euphorisch war ich nach einer missionarischen Aktion in einer Jugendgruppe des EC und damit auch in einem neuen Freundeskreis gelandet. Hier habe ich entdeckt, was es heißt, eine persönliche Beziehung zu Gott zu haben und ich bin wirklich dankbar für diese Zeit.
Frisch verheiratet stand einige Jahre später der Umzug in eine andere Stadt an, den ich glaubenstechnisch als eine Art geistliche Emanzipation erlebte, weil ich als "fertiger Christ" (wenn es das überhaupt gibt) in einen Hauskreis kam. Wahrscheinlich ist das wie mit einer Arbeitsstelle. Auch, wenn die erste Firma dich mit Herzblut und Kompetenz ausgebildet hat und du wirklich gerne dort warst, bleibst du doch immer ein bisschen Azubi.
Unsere Kinder wurden geboren und in der Stadt gab es seit einiger Zeit einen neuen Pfarrer. Jung, vom Glauben begeistert, engagiert. Er baute eine völlig neuartige Gemeindearbeit auf, die uns bis heute (etliche Jahre später) begeistert. So sehr mich Orgelklänge in alten, sakralen Kirchengemäuern begeistern können, so froh bin ich doch, dass in "unserer" Kirche E-Gitarre, Schlagzeug & Co die Gesangbuchära abgelöst haben. Schon vor den Geburten unserer Kinder hatten mein Mann und ich uns dem Musikteam eines monatlich stattfindenden Lobpreisgottesdienstes angeschlossen. Nach der Kleinkindzeit stiegen wir im sonntäglichen Gottesdienst wieder ein und sind etwa vier bis sechsmal im Jahr in wechselnder Besetzung Bandmitglieder
Wenn mich jemand fragt, würde ich sagen, das ist unsere Gemeinde. Ein genauer Beobachter könnte aber ganz schnell erkennen, dass wir nur sporadische Gottesdienstbesucher sind. Das war mal anders. Als unsere große Tochter etwa eineinhalb Jahre alt war, wurde uns einmal ziemlich deutlich mitgeteilt, dass sie stört. Das hat uns brüskiert und verletzt und es gab einen gewissen Bruch. Das als Argument aufzuführen wäre aber falsch. So unglücklich das damals war, es ist wirklich sehr lange her (inzwischen ist Sophia konfirmiert) und unser Pfarrer hat schon damals deutlich signalisiert, dass junge Familien bei ihm jederzeit herzlich willkommen sind (er hatte an betreffendem Tag auch nicht gepredigt und die größten Kritiker waren erstaunlicherweise selbst Mütter).
Ich weiß nicht, woran es liegt. Jedesmal, wenn wir uns aufraffen und einen Gottesdienst besuchen, fühlen wir uns wohl, sehen Freunde und nehmen fast immer etwas mit. Mit 10.30 Uhr beginnt die Kirche auch zu einem relativ humanen Zeitpunkt. Trotzdem genießen wir es am Wochenende sehr, auszuschlafen und in aller Gemütlichkeit und Ruhe, oft noch im Schlafanzug, zu frühstücken. Ohne jeden Zeitdruck. Das ist Familienzeit, Quality-Time, die wir unter der Woche so nicht haben. Ich will es aber auch nicht schön reden. In Beziehungen muss man investieren und dazu gehören eben auch mal kleine Opfer.
Ich mag die Vielfalt, die unser Gemeindeleben bietet. Letztes Jahr habe ich an den ökumenischen Fastenexerzitien teilgenommen. Ich kannte fast niemanden aus unserer Gemeinde. Der überwiegende Teil war katholisch und der Aufbau der Abende ziemlich ungewohnt für mich. Aber ich habe die Zeit als sehr schön in Erinnerung.
Einmal im Monat gibt es in der idyllischen alten Dorfkirche in Beerbach einen Taizé-Gottesdienst. Jeder Platz ist belegt, die Kirche wird nur von Kerzen beleuchtet. Die Musik ist so ganz anders als Schlagzeug und E-Gitarre oder Orgel, aber ebenfalls wunderschön. Mein Mann und ich lieben die Stimmung dieses besonderen Gottesdienstes.
Lange Zeit war unsere Gemeinde eher unser Hauskreis, später der Frauen- bzw. Männerkreis. Mit der richtigen Mischung an Sing & Pray und christlichen Inputs konnte ich auftanken. Außerdem gewinne ich dem persönlichen Austausch in der Kleingruppe oft mehr ab als einer Predigt, wenn es danach keine Gespräche gibt. Hier haben mein Mann und ich allerdings ein sehr schönes, bereicherndes Ritual. Wenn wir einen Gottesdienst besuchen, gehen wir danach spazieren und reflektieren den Inhalt der Predigt noch einmal gemeinsam. Was ist bei wem hängengeblieben? Was passt zu unserem Alltag? Sind Fragen aufgetaucht? ...
Alle zwei Wochen gibt es unseren Frauenkreis, bestehend aus zwölf Frauen mit den unterschiedlichsten Prägungen (evangelisch, katholisch, freikirchlich, suchend/offen bis hin zu eigentlich eher an den Beziehungen als am christlichen Inhalt interessiert). Wir kennen uns seit vielen Jahren, sind uns vertraut und wichtig. Die bunte Mischung finde ich sehr inspirierend und bereichernd. Unser vorheriger Hauskreis und auch die Jugendgruppe in Schwabach waren glaubenstechnisch ziemlich konform, so dass die Frauenrunde ganz neue Perspektiven bot. Unsere Treffen sind mir nach wie vor sehr wichtig. Inhaltlich bemerke ich aber in letzter Zeit, dass mir etwas fehlt. Zu oft ist der geistliche Teil wirklich nur ein Input und die Gebetsrunden werden zugunsten des pünktlichen Nachhausekommens stark gekürzt. Immer wieder gibt es aber auch Highlight-Abende. Oft sind es gerade die kleinen Runden, in denen es tiefgehende und vertrauensvolle Gespräche gibt. Liebe Freundinnen, falls ihr mitlest: Ich will euch auf keinen Fall missen und auch niemanden mit diesem Statement verletzen oder kritisieren. Der Frauenkreis ist gut so, wie er ist. Ich bin es wohl, die sich verändert. Und ich merke, dass ich mehr brauche. Nicht etwas Anderes, sondern etwas Zusätzliches, denke ich. Könnte das in der Gemeinde zu finden sein?
Oh, Marthas #gemeinsamglauben Blogparade geht ja echt ans Eingemachte. Wieder mal erlebe ich, dass ich schreibend meine Gedanken am Besten sortieren kann. Ich danke euch für´s "Zuhören" und halte euch auf dem Laufenden, wie´s mit mir und Gemeinde/Gemeinschaft weitergeht.
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