Am Wochenende stellen wir unsere Uhren wieder auf Winterzeit (Normalzeit) um. Für etwa zwei Wochen ist es dann morgens früher hell, dafür geht die Sonne am späten Nachmittag gefühlt eine Stunde eher unter. Über Sinn und Unsinn der halbjährlichen Zeitumstellung, die ursprünglich eingeführt wurde, um Energie zu sparen, lässt sich streiten. Laut einer Forsa-Umfrage sprechen sich mittlerweile 80 % der Deutschen für eine Abschaffung der Regelung aus. Als Ursache werden hauptsächlich gesundheitliche Probleme und Schwierigkeiten beim Ein- oder Durchschlafen genannt. Von Letzterem können auch die meisten (Klein-)Kindeltern ein Lied singen. Dauert es doch meist einige Wochen, bis sich der normale Rhythmus eingependelt hat und die Familie wieder mehr Schlaf bekommt.
In unser aller Leben gibt es (Zeit-)Umstellungen. Zum Beispiel die beiden "Wechseljahre" im Leben von uns Frauen: die Pubertät mit all ihren hormonbedingten Turbulenzen und später die Umkehrung des Ganzen in den Wechseljahren, die auch eine herausfordernde Zeit sein sollen.
Immer wieder stellt uns das Leben vor besondere Herausforderungen. Umbrüche, die als Krisenzeiten in der Biografie eines Menschen gelten. Aus denen wir geschwächt oder gestärkt hervorgehen können. Die Eingewöhnung in Krippe oder Kindergarten, Schulbeginn und -wechsel, Ausbildung oder Studium, Berufswahl und Jobwechsel, die Entscheidung für Heirat, Familie, Hausbau, Umzüge ...
In der Pädagogik spricht man bei diesen Übergängen im Leben von Transitionen und misst den Umständen, unter denen das Kind diese erlebt, große Bedeutung bei. Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung widmet diesem Thema ein ganzes Kapitel. "Übergänge sind zeitlich begrenzte Lebensabschnitte, in denen markante Veränderungen geschehen ... . Auslöser sind Ereignisse, die der Einzelne als einschneidend erlebt, weil sie für ihn erstmals oder nur einmal in seinem Leben vorkommen. ... Es sind kritische Lebensereignisse, deren Bewältigung die persönliche Entwicklung voranbringen, aber auch erschwerden kann, die Freude und Neugier auf das Neue ebenso hervorbringen kann wie Verunsicherung oder Angst." (ebd, S. 96)
Inzwischen weiß man, dass Stabilität in diesen Zeiten des Umbruchs eine große Rolle spielt. Wenn ein Kind sich sicher gebunden weiß, d.h. bedingungslos geliebt von seinen engsten Bezugspersonen, wenn es sich darauf verlassen kann, dass die Eltern wieder kommen, fällt es ihm leichter, Vertrauen zu neuen Bezugspersonen (in diesem Fall zum pädagogischen Personal) zu fassen und sich auch in der neuen Umgebung wohlzufühlen. Liebende, zuverlässige Eltern und eine zunehmend vertraute Bezugsperson in der Kita bilden die Grundlage für gute Eingewöhnung. Außerdem helfen Rituale. Ein fester Tagesablauf, auf den sich das Kind verlassen kann, das Abschiedsritual von den Eltern am Morgen, vielleicht ein vertrauter Gegenstand von zu Hause ... geben Halt und Sicherheit.
Geht es uns nicht ähnlich, wie dem kleinen Kind, wenn schwerwiegende Veränderungen anstehen, wenn wir uns aus dem sicheren Boot hinaus auf´s Meer wagen müssen und nicht wissen, ob das Wasser trägt? Ist es nicht wohltuend, im neuen Haus in der fremden Stadt das altbekannte Teeservice auszupacken und zur selben Zeit wie im alten, vertrauten Zuhause Tee zu trinken und Kekse zu essen? Freuen wir uns nicht, wenn wir nach Feierabend von der neuen Arbeitsstelle, wo alles noch drunter und drüber geht und wir noch nicht sicher sind, wie Chef, Kollegen und Erwartungshaltungen einzuschätzen sind, nach Hause zu unserer Familie, zu unseren vertrauten Lieblingsmenschen kommen? Natürlich! Egal ob Kleinkind oder Rentner: Menschen, von denen ich mich bedingungslos geliebt weiß, sind mein Anker im Sturm, wenn das Leben hohe Wellen schlägt. Genauso wie mich sichere, gewohnte Abläufe - Rituale - erden und zur Ruhe kommen lassen. Ich wünsche mir, dass es immer solche Menschen für mich gibt und dass ich selbst einer für meine Familie und Freunde sein kann, wenn sie mich brauchen. Und ich bin dankbar, dass ich an einen Gott glaube, der bei mir ist, selbst wenn sonst keiner da wäre.
Am Wochenende stellen wir die Uhren um. Dann kommt wieder eine Kerze auf den Esstisch, die uns morgens Licht ins Dunkel bringt und - so klein sie auch ist - eine besonders heimelige, gemütliche Atmosphäre schafft, die wir alle so lieben. Rituale eben.
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