Am Sonntag beginnt die Fastenzeit. Nein, du bist nicht aus Versehen in einem vorösterlichen Blogartikel gelandet. Weihnachten und Ostern sind die wichtigsten Feste im Kirchenjahr, weshalb ihnen eine mehrwöchige Fastenzeit vorangeht. Kaum zu glauben bei Lebkuchen, Plätzchen und Glühwein, aber im Advent war ursprünglich tatsächlich Fasten angesagt. Verzicht reduziert, schärft die Sinne, ermöglicht Konzentration auf das Wesentliche. So dumm ist der Gedanke eigentlich gar nicht. Statt Reduktion erleben wir in der Realität eher Fülle. Eine Fülle an Essen, Weihnachtsmärkten, Deko, Feiern und Konzerten. Ich müsste lügen, würde ich das jetzt schlechtreden. Denn ich liebe die Vorweihnachtszeit mit ihren Düften, Leckereien und Lichterketten. Und dennoch … ein bisschen mehr Besinnung auf das Wesentliche tut gut.
Ich versuche, den Advent bewusst zu erleben. Das beginnt beim Dekorieren. In unserer großen Weihnachtskiste finden sich allerlei Schätze: die Olivenholz-Krippe aus Israel, wo Thilo sie als Jugendlicher erstand (was für ein vorausschauender junger Mann, dabei kann er meine Dekoliebe nur bedingt nachvollziehen). Der große Lichterbogen aus dem Erzgebirge, ein Geschenk meiner Eltern. Unsere Ostheimer-Krippe, deren erste Figur der Verkündigungsengel war, den wir zur Hochzeit bekamen. Das Räuchermännchen von Thilos Oma ... . Ich genieße es, diese besonderen Stücke aus dem Packpapier zu wickeln und ihnen einen Platz in unserem Zuhause zu suchen, wo sie uns bis zum Dreikönigstag begleiten werden.
Irgendwann - und wenn ich dann schon Oma bin - möchte ich in der Adventszeit ins Erzgebirge fahren. Ich weiß gar nicht, wie alt ich war, auf jeden Fall noch keine neun Jahre, als ich mit meinen Eltern dort war. Ich erinnere mich an überdimensionale Weihnachtspyramiden und ganz viele Lichterbogen in den Fenstern. Und nicht zu vergessen: Schnee! Vielleicht ist das alles in meiner Erinnerung etwas glorifiziert. Aber, was soll´s, Gloria passt ja schließlich zu Weihnachten.
Ich glaube, meine große Adventsliebe hat ihren Ursprung tatsächlich in meiner Kindheit. Und ich tue mein Bestes, diesen Schatz an unsere Kinder weiterzugeben. Ich kenne kein Fest, das so viele Sinne anspricht. Der Duft von gebrannten Mandeln und Plätzchen, von Tannengrün und Bienenwachskerzen. Der Geschmack dieser Köstlichkeiten, nicht zu vergessen, die Weihnachtsgans. Und es gibt auch was auf die Ohren. Alle Jahre wieder findet man mich am ersten Dezember ausgestreckt auf dem Boden liegend "Jauchzet, frohlocket" hören. In einer Lautstärke, die sonst eher aktuelleren Musikgenres vorbehalten ist. "Mama spinnt.", aber das Weihnachtsoratorium muss sein. Es läutet die Adventszeit für mich ein. Auch die Augen kommen nicht zu kurz. All die glitzernde, leuchtende Schönheit um uns herum. Wenn ich morgens im Dunkeln zur Arbeit fahre, genieße ich den Anblick der leuchtenden Christbäume in den Gärten. Und nicht zuletzt das Gefühl von "german Gemütlichkeit". Im Frauenkreis meinte kürzlich eine Freundin, in der dunklen Jahreszeit würden wir es uns zu Hause so schön machen, weil uns der Raum draußen, den wir im Sommer genießen, verloren geht. Vielleicht ist da was dran. Auch, wenn jede Jahreszeit in der Natur ihren eigenen Zauber hat. Gibt es etwas Schöneres als einen Schneespaziergang?
In der Adventszeit zieht die Ostheimer-Krippe in unserem Wohnzimmer ein. Und seit jeher fehlt das Jesus-Baby bis zum Heiligen Abend, an dem es geboren wird. Als die Kinder noch klein waren, versteckte ich das Christkind bis zum 24.12. und die Mädchen rätselten jedes Jahr, wo es denn sein könne. Einmal habe ich das Sophia wohl verraten, was Lina herausbekommen hat. Das war dramatisch. Im nächsten Jahr durfte sie dann als Ausgleich das Geheimnis hüten.
Nachdem ich diese Fotos von unserer Krippe gemacht hatte, fielen mir die Staubweben hinter der Heizung auf. Mein erster entnervter Gedanke ging in die Richtung "Ach, nee, jetzt muss ich putzen und die Bilder nochmal machen." Putzen muss ich wohl. ;-) Aber die Bilder habe ich dann doch gelassen. Nicht aus Faulheit oder in der Hoffnung, dass ihr euren Blick auf die Krippe lenkt und nicht auf meine mangelnden hausfraulichen Qualitäten. Nein, der Gedanke kam mir beim Betrachten des Stalls, der - in welcher Ausführung auch immer - so gemütlich und nett wirkt, es aber ganz sicher nicht war. Jesus wurde nicht in eine Stallidylle geboren, durch die vorher ein Putztrupp gewirbelt war, um für Glanz und Gloria zu sorgen. Bei all meiner Liebe für geschmückte Christbäume, idyllische Adventsmärkte und leuchtende Lichterbögen möchte ich das nicht vergessen. Ich werde wohl weder fasten noch unsere Weihnachtsdekoration reduzieren, dabei aber trotzdem versuchen, den Blick für das Wesentliche im Auge zu behalten. Und so versuche ich anzukommen in einer ganz besonderen Zeit. Ich wünsche euch einen schönen ersten Advent!
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Sina (Mittwoch, 05 Dezember 2018 02:08)
Ich liebe Weihnachten auch sehr. Es ist wirklich eine Reizüberflutung von Dürften, Essen und Dekoration. Da hätte ich im Leben nicht an Fasten gedacht :)
Viele Grüße
Sina
Nici (Mittwoch, 05 Dezember 2018 14:10)
Liebe Sina,
ja, es scheint ziemlich abwegig, im Advent eine Fastenzeit zu haben. Aber bei tieferer Betrachtung finde ich den Gedanken sehr bereichernd. Ich wünsche dir eine schöne (Vor-)Weihnachtszeit!
Liebe Grüße,
Nici