"Warum glaubst du eigentlich an Gott?" Die Frage war offen und ehrlich interessiert gestellt von einer ganz lieben jungen Frau, die mir echt am Herzen liegt. Eine solche Frage kann erfreuen oder spontane Fluchtreflexe auslösen, denn sie lässt sich nicht so einfach beantworten. Zumindest, wenn man kein Freund von frommen Standardantworten ist. Und der bin ich nicht.
Es gibt Menschen, die mit einem ganz starken, vertrauensvollen Glauben gesegnet sind. Sie ruhen in der tiefen inneren Gewissheit, dass es Gott gibt. Und es gibt die, die ihr Leben lang mit Zweifeln kämpfen und um ihren Glauben ringen. Dazu gehöre ich. Ich frage mich immer wieder, ob wir Menschen uns Gott nicht nur herbeireden, weil wir aus psychologischen Gründen eine übergeordnete Instanz brauchen. Jemanden, dem man für das Gute danken, den man aber auch für das persönliche Scheitern verantwortlich machen kann. Und nicht zu vergessen die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod, um die Angst vor dem Sterben etwas einzudämmen. Soweit die Zweifel. Und dennoch führe ich täglich Gespräche mit diesem Gott. Danke ihm für alles, was mein Leben reich macht. Bitte ihn um ein Haus für die Familie meiner Kollegin, Kita-Plätze für die Kinder einer facebook-Bekannten, Heilung für eine andere. Ziemlich schizophren, wenn ich ihn gar nicht für Realität halte. Warum, um Himmels Willen also, glaube ich?
Vor ein paar Jahren haben Thilo und ich gemeinsam das Buch des Kabarettisten und Theologen Torsten Hebel, "Freischwimmer", gelesen. Er, bis dato "Berufschrist", beschreibt darin, wie ihm in einer Glaubenskrise tiefe Zweifel den Boden unter den Füßen wegzogen. Um sich zu orientieren, suchte er alte Weggefährten auf und befragte sie: "Warum glaubst du?" Das Buch hat uns nachhaltig beeindruckt. Nicht jedes Interview berührte mit gleicher Intensität, aber es gab Antworten und Gedankenanstöße. Eine für mich sehr hilfreiche Aussage stammt von Christina Brudereck. Sinngemäß sagte sie: Angenommen es gibt keinen Gott, dann verlieren wir nichts, wenn wir an ihn glauben. Gibt es ihn jedoch und wir glauben nicht, verlieren wir alles.
An dieser Aussage halte ich mich fest, wenn Zweifel an mir nagen. Sollte Glauben Unsinn sein, mag man mich für etwas schräg halten und belächeln, mehr passiert aber eigentlich nicht. Für den anderen Fall spricht, wenn ich ehrlich bin, einiges in meinem Leben.
Es gibt da große und kleine Wunder. Ein großes ist die Schwangerschaft mit unserer Erstgeborenen, die meine Frauenärztin nicht für möglich gehalten hatte. Eine gute Freundin segnete mich und betete um ein Kind für uns. Sie ist heute Sophias Patin. Meine Zweifel wenden ein, dass es an der Behandlung durch die Heilpraktikerin gelegen haben könnte. Aber warum sollte das Eine das Andere eigentlich ausschließen?
Kleine Wunder begegnen mir immer wieder im Alltag. Zum Beispiel die Tageslosung "So spricht der HERR: Ich habe dein Gebet gehört und deine Tränen gesehen. Siehe, ich will dich gesund machen." (2. Könige 20,5) als ich voller Bangen auf das Resultat einer Untersuchung wartete. Zufall?
Oder letztes Wochenende: Ich saß nach einer Auseinandersetzung zu Hause wütend und frustriert im Auto, fühlte mich unbedeutend, ungeliebt und einfach nicht wahrgenommen. Mein Gedankenkarussell kreiste: "Ich bin gut genug, jemanden von A nach B zu fahren, stundenlang in Turnallen zu sitzen, Essen zu kochen und Hausaufgaben zu kontrollieren. Aber mich und meine Bedürfnisse sieht niemand. Wenn ich im Gespräch unterbrochen werde und nichts mehr sage, bemerkt das keiner. Weil ich hier einfach nichts zu melden habe ..." usw. Immerhin schaffte es auch folgender Gedanke, zu mir durchzudringen: 100%ige Wertschätzung und perfekte Beziehungen gibt es in diesem Leben nicht. Kein Mensch kann das leisten, auch ich nicht. Das kann nur Gott.
In diesem Moment stand ein Regenbogen am Himmel. Ganz plötzlich und in kräftigen, leuchtenden Farben. Ein Regenbogen, das Zeichen der Verbundenheit Gottes mit den Menschen. "Ich setze meinen Bogen in die Wolken. Er ist das Zeichen meines unumstößlichen Bundes mit der Erde ... Wenn der Regenbogen in den Wolken steht, werde ich ihn ansehen, um mich an den ewigen Bund zu erinnern, den ich mit allen Lebewesen auf der Erde geschlossen habe." (1. Mose 9,13.16) In diesem Moment fühlte ich mich wieder gesehen, wertgeschätzt und bedingungslos geliebt. El Roi - hebräisch: der Gott, der dich sieht - ist einer der vielen Namen Gottes in der Bibel. Genau so habe ich ihn in diesem Moment erlebt.
"Warum glaubst du?", war die Ausgangsfrage. In der Antwort habe ich meine Zweifel nicht verschwiegen. Aber ich erzählte auch von Christina Bruderecks Aussage, die mir immer wieder weiterhilft, und von kleinen und großen Wundern in meinem Leben.
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