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Maria 2.0

Vor zwei Tagen ging die Aktion Maria 2.0 zu Ende. Ausgangspunkt war ein kleiner katholischer Lesekreis, dessen Mitglieder einfach keine Ruhe über die aktuelle Situation ihrer Kirche fanden. Menschen, denen ihr Christsein wichtig ist, die sich aber schwer damit tun, Außenstehenden zu erklären, was sie in der Institution Kirche hält, die ihren Frauen nicht erlaubt, Diakonin oder Priesterin zu werden und die mit der Aufarbeitung der Missbrauchsskandale kämpft. Die Initiatorinnen von Maria 2.0 fühlen sich in der katholischen Kirche beheimatet, möchten sie für ihre Kinder und Enkel bewahren und nicht verlassen. Aber sie sehnen sich nach Reformen, Gleichberechtigung und Veränderung. Sie wollten handeln, statt schimpfen und verfassten einen offenen Brief an Papst Franziskus. Um ihrem Anliegen mehr Ausdruck zu verleihen, riefen sie in der letzten Woche ihre katholischen Mitchristinnen dazu auf, keine Kirche zu betreten und Ehrenämter ruhen zu lassen. Stattdessen feierten sie Gottesdienste vor den Kirchen und erlangten mediale Aufmerksamkeit. Es zeigte sich, dass die Zeit reif war, denn die Aktionswoche wurde bundesweit aufgegriffen. Die Initiatorinnen von Maria 2.0 erhielten Rückmeldungen von mehr als tausend Gruppen, die unterschiedlichste Veranstaltungen auf die Beine stellten. Sie gehen davon aus, dass mehrere zehntausend Menschen dabei waren, etwa ein Viertel von ihnen Männer. Auch aus Österreich, der Schweiz und den USA kamen Rückmeldungen. Die Bischöfe scheinen gespalten. Einige äußerten Zustimmung, andere übten Kritik. Auch bei den Frauen selbst gibt es Pro- und Contrameinungen. 

 

 

Ich bin in der evangelischen Kirche zu Hause, doch Maria 2.0 hat mich bewegt und zum Nachdenken gebracht. Schon lange mache ich mir Gedanken über die Diskrepanz zwischen Sehnsucht nach Spiritualität und den Massen an Kirchenaustritten in unserem Land. Sollte der christliche Glaube auch in der Politik Ausdruck finden oder ist er Privatsache? Brauche ich die Institution Kirche, um meinen Glauben zu leben und falls ja, wie muss Kirche aussehen, dass ich mich in ihr zu Hause fühle? Ist es an der Zeit für eine neue Reformation, einen großen Knall, um die Gotteshäuser wieder zu füllen oder schrumpft sich die Kirche vielleicht gerade gesund? 

 

Ich ringe hier selbst um Antworten. Eines weiß ich jedoch: Glaube braucht Gemeinschaft. Ob es dazu eher großer Gemeinden oder kleiner Hauskirchen bedarf? Ich finde die Vielfalt bereichernd. Denn wir Menschen haben nun mal unterschiedliche Bedürfnisse, manchmal sogar ein und derselbe in verschiedenen Lebensphasen. Auf den ersten Blick scheinen kleine Gemeinschaften anziehender. Hier kann ich mir meinesgleichen suchen und es mir gemütlich machen. Wo  ich es mir zu gemütlich mache, findet aber keine Entwicklung statt. "Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen", heißt es in Hermann Hesses Stufen-Gedicht. Da ist viel Wahres dran. Stillstand tut selten gut. Ein Plädoyer für die (Kirchen-)Gemeinde?

 

 

"Eine heilige Unruhe entsteht in dir dort, wo die Not anderer Menschen und deine eigenen Leidenschaften und Begabungen ungefiltert aufeinandertreffen", sagte Bill Hybels, Gründer der Willow Creek Community Church. Ich glaube, diese heilige Unruhe  erfasste auch die Initiatorinnen von Maria 2.0. So wie Martin Luther vor über 500 Jahren, so wie die Christen in der Leipziger Nikolaikirche vor dem Mauerfall. Ich weiß nicht, was aus Maria 2.0 noch wird. Aber ich wünsche der Bewegung Gottes Segen. Veränderungen erfordern die Bereitschaft, Altbewährtes in Frage zu stellen und das ist oft schmerzhaft, wie eine Geburt. Ich wünsche uns Christen, egal welcher Konfession, dass wir bereit sind, gemeinsam Schritte zu gehen: aufeinander zu und miteinander nach vorne. Immer in dem Bewusstsein, dass uns bei allen Unterschieden die Hauptsache vereint: der Glaube an Jesus Christus. 

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