Wir sind keine Familie, die es schafft, zwei Wochen Sommerurlaub an einem Fleck zu verbringen. In den letzten Jahren gab es immer drei Stationen: meistens die Hauptstadt des Landes, eine weitere Stadt und am Schluss etwa eine Woche Relaxen und Erholung von Sightseeing und Kultur in einer landschaftlich schönen Umgebung (gerne in Wassernähe).
Bereits am Ende der letzten Sommerferien hatten wir als Familie beschlossen, dass es in diesem Jahr etwas mehr Sightseeing und weniger Erholung geben würde. Wir wollten Spanien entdecken, dabei mindestens bis Madrid kommen und mit dem Auto reisen, um mehr von der Landschaft zu sehen. Dafür gab es 15 Tage Zeit (die Urlaubslänge gibt mein Mann bzw. seine Firma vor, da er der Einzige von uns ist, der nicht sechs Wochen Sommerferien hat).
Es würde keine Erholungsreise werden, das war uns klar, aber wir wollten es so und stürzten uns voller Vorfreude auf ein ganz neu zu entdeckendes Land in die Planungen. Schon bald stand die Route fest: Brive-la-Gaillarde (unsere französische Partnerstadt) - San Sebastian - Madrid - Saragossa - Barcelona - Vallon Pont d´Arc an der Ardèche (wieder Frankreich, da Deutschland-Spanien einfach zu weit für eine Fahrt ist). Sollte sich jemand inspiriert fühlen, ich kann diese Route wirklich empfehlen. Alternativ zu Saragossa wäre auch Valencia möglich, was sehr schön sein soll und am Meer liegt.
¡Hola España!
Also, auf nach Spanien bzw. Frankreich. Lasst euch mitnehmen, inspirieren und über ein paar Anekdoten schmunzeln, wenn ihr möchtet. Wem es zu viel Urlaubsgeplauder wird, der kann sich gerne einfach nur die Bilder angucken. Da habt ihr auch was zu tun, versprochen. 😉
Unser erster Zwischenstopp war eine Nacht in Brive-la-Gaillarde, unsere Partnerstadt. Wir fuhren am 15. August los, Mariä Himmelfahrt, ein Feiertag im katholischen Frankreich. Feiertag hieß in diesem Fall aber nicht, Läden geschlossen, Bürgersteige hochgeklappt, sondern Party auf den Straßen von Brive.
brive-la-gaillarde
getaria
Unser erstes Ziel in Spanien sollte eigentlich San Sebastian heißen. Allerdings ließ sich hier in den einschlägigen Internetportalen keine einzige bezahlbare Ferienwohnung finden. Also guckte ich weiter und fand Getaria, einen kleinen charmanten Ort direkt an der Atlantikküste. Der berühmteste Einwohner des Städtchens war Cristóbal Balenciaga. Ich bekenne mich dazu, als Jugendliche in den High-Society-Romanen von Danielle Steel geschmökert zu haben und erinnerte mich an die edlen Balenciaga-Roben der Heldinnen. Ihrem Erschaffer ist ein schickes Museum gewidmet, das am Berg über der Stadt thront. Sein eigentliches Geburtshaus befindet sich mitten in der Altstadt, versehen mit einem Hinweisschild, aber ironischerweise komplett dem Verfall preisgegeben. In Getaria schnupperten wir das erste Mal spanische Luft, fanden die schönsten Tapas-Bars, weiße Strände und Plätze, an denen nach Einbruch der Dunkelheit bis in die Nacht hinein musiziert, gelacht und gelebt wird.
san sebastian
San Sebastian wollten wir natürlich trotzdem sehen. Der Vermieter unserer Ferienwohnung riet uns, den Bus zu nehmen, da in San Sebastian das Parken auf Grund eines Festivals gerade sehr schwierig wäre. Die einfache Fahrt dauerte 45 Minuten und kostete für unsere vierköpfige Familie gerade mal 12 Euro. Was soll ich sagen? Die Busfahrt war das eigentliche Erlebnis. Zum Einen, weil sie über Stock und Stein, durch Städtchen und Landschaft führte, zum Anderen wegen des Fahrstils der spanischen Busfahrer. Nachdem ich anfangs wirklich befürchtete, "buskrank" zu werden, gewöhnte ich mich schließlich daran, konnte aus dem Fenster gucken und die Eindrücke genießen. Auf der Rückfahrt hatte der Bus Verspätung und fuhr ohne Rücksicht auf Tempolimits und Schlaglöcher die Zeit wieder rein. Dabei hörte der Busfahrer klassische Musik. Ich finde, AC/DC (Stichwort "Highway to hell") hätte irgendwie besser gepasst. 😉
San Sebastian selbst ist eine hübsche Stadt, war für uns aber eher etwas enttäuschend, denn es war heiß und wahnsinnig voll. Das soll aber niemanden von einem Besuch dort abhalten. Ich denke, es lag wirklich eher an unseren ziemlich hohen Erwartungen und der Menschenmenge.
Madrid
Die Fahrt nach Madrid war spektakulär! Ich liebe es, wenn die Landschaft im Urlaub so ganz anders aussieht als zu Hause. Ja, wir haben viel Zeit auf der Straße verbracht und etliche Kilometer geschrubbt, aber es hat sich gelohnt. Die roten Felsen, die karge, aber auch wunderschöne Landschaft … Jederzeit hätte ein Cowboy um die Ecke biegen können. Eine solche Landschaft hätte ich am ehesten irgendwo in den USA erwartet.
Die spanische Hauptstadt hat unser Herz im Sturm erobert. Lag es am fröhlichen ¡Hola!, den wunderschönen Häuserfassaden, den unzähligen grünen Oasen, der wunderschönen Ferienwohnung, der wahnsinnig sauberen, gepflegten Erscheinung der Stadt, dem quirligen Treiben in den Gassen, der fröhlichen Musik auf den Plätzen? Ich weiß es nicht. Wir waren alle vier begeistert und wären gerne länger geblieben. Auch kulturell hat Madrid viel zu bieten, doch wir waren nur drei Nächte dort und bummelten einfach so durch Tag und Stadt. Irgendwann kommen wir wieder, Madrid, versprochen!
Mitten auf der Puerta del Sol begegneten uns Rio und Tokio oder waren es doch Denver und Nairobi (Insider für Fans der spanischen Netflix-Serie "Haus des Geldes")? Wir lieben diese Serie alle vier und die Mädels posten begeistert mit den Maskierten. Im Vorfeld unserer Reise hatte ich die Original-Drehplätze gegoogelt und so machten wir uns auch auf den Weg zur Finca El Gasco, etwas außerhalb von Madrid, wo der Professor und sein Team den Überfall auf die spanische Notendruckerei planten. Laut Internet sollte die Finca inzwischen verlassen, aber zugänglich sein. Leider war dem nicht so. Wir standen vor einem großen, verschlossenen Tor. Der Ausflug ins wunderschöne Umland von Spaniens Hauptstadt hat sich dennoch gelohnt.
saragossa
Saragossa ist bekannt für die Basilica del Pilar, ein wahres Meisterwerk der Baukunst. Nach einem ausgiebigen Stadtbummel überquerten wir die Brücke über den Ebro, um die Basilica in ihrer vollen Schönheit zu sehen. Währenddessen ging die Sonne unter und beschenkte uns mit einem Farbenrausch aus Rosa-Violett-Orange-Tönen. Sophia und ich warfen uns das Handy hin und her (sie hatte ihres nicht dabei), um Fotos zu machen. Es war einfach zu schön!
Barcelona
Barcelona - diese Stadt hatte ganz viel mit unserer Reise zu tun, denn sie stand schon lange auf der Wunschliste ganz oben. Hier verbrachten wir fünf Tage, unsere längste Reisestation. Und hier holten wir alles an Kultur nach, was wir in Madrid "verpasst" hatten.
Zuerst spazierten wir über die berühmten Ramblas Richtung Hafen, wo wir auf´s Meer guckten und die Schiffe beobachteten. Abends ging es dann in die Sagrada Familia. Ich hatte ein architektonisch außergewöhnliches Gotteshaus erwartet und das bekamen wir auch. Aber das war nicht alles. Niemals hätte ich gedacht, dass ich in einer solchen Menschenmenge eine derartig sakrale Stimmung empfinden würde. Ohne Frage war Antonio Gaudi ein Meister seines Fachs. Ein solches Gebäude, mit all seinen Details im Kopf zu haben und aufs Papier zu bringen, damit es tatsächlich erbaut werden kann, ist unglaublich. Licht, Form und Material gehen eine Symbiose ein, die uns sofort ergriff. Ich könnte einen ganzen Blogartikel allein zur Sagrada Familia schreiben. Über Glauben, Architektur und Ergriffensein. Um euch nicht mit zu viel Text zu strapazieren, sei nur eins gesagt: Besucht diese Kirche, wenn ihr in Barcelona seid. Es lohnt sich!
Wir hatten eine schöne Ferienwohnung, ruhig, schön eingerichtet, am Stadtrand gelegen mit guter U-Bahn-Anbindung (maximal 10 Minuten bis zum Zentrum). In der ersten Nacht schliefen wir nach all den vielen Eindrücken wunderbar. Das sollte sich ändern. Es hat vermutlich mit einer kleinen Michael Kors-Fake-Handtasche zu tun, die ich einem Straßenhändler zum Schnäppchenpreis abkaufte, einfach, weil sie mir gefiel. Als ich diese Tasche trug, wurde ich in der U-Bahn von einem der in Barcelona überall anwesenden Sicherheitsdienste darauf angesprochen, bitte gut auf meine Wertsachen aufzupassen. Ich hatte sie auch bei mir, als ich im Freien auf Thilo wartete, der im Supermarkt unserer Wohnanlage Lebensmittel besorgte. Am späten Abend klingelte ein Security-Mann bei uns, um uns mitzuteilen, dass unsere Wohnung markiert worden sei. Das heißt, eine kleine transparente Nadel steckte unauffällig (aber sichtbar für den, der danach suchte) an unserer Tür und zeigte an, dass sich ein Einbruch hier lohnte. Der Mann empfahl uns, die Tür etwa alle vier Stunden zu öffnen und wieder zu schließen, damit mögliche weitere Markierungen herunterfallen. Wir stellten uns also nachts den Wecker und verbarrikadierten die Tür mit einem Ikea-Sessel und einem Stapel Bücher, die beim Runterfallen Lärm machen und uns wecken würden. Ich war so paranoid, dass ich die nächsten Nächte mit einem Messer neben dem Bett schlief. Die Handtasche verschwand für den Rest des Urlaubs im Koffer.
Solltet ihr eines Tages nach Barcelona kommen, kann ich euch die Gondelfahrt auf den Monjuic empfehlen. Es gibt zwei Gondeln in der Stadt. Eine führt vom Strand über Stadt und Hafen und ist eher für schwindelfreie Leute geeignet, die andere zum Castell Monjuic. Ich hatte schon befürchtet, die falsche gebucht zu haben. Aber diese kurze Gondelfahrt ist wirklich toll. Man hat einen herrlichen Blick über die Stadt und kann (ohne Eintritt für das Castell bezahlen zu müssen, falls man nicht rein möchte) auf einem kleinen, gar nicht touristisch überfüllten Wald- und Wiesenweg um das Castell herum und wieder zurück zur Gondelstation laufen. Dabei hat man immer wieder herrliche Ausblicke auf Hafen und Stadt.
Wieder unten angekommen, liefen wir nach Himmelsrichtung durch einen wunderschönen Park Richtung Fontana Magica, wo es im Sommer stündlich eine Wasser-Lichter-Musik-Inszenierung (ähnlich Planten un Blomen in Hamburg, wem das etwas sagt) gibt. Als die Show zu den Klängen von Freddie Mercurys "Barcelona" begann, lief mir ein wohliger Glücksschauer über den Rücken. Am Brunnen trafen wir uns noch mit einer Schulfreundin von Sophia und ihren Eltern, die zufälligerweise auch gerade in der Stadt waren. Wie schön, wenn die Welt klein ist!
In den nächsten Tagen besuchten wir noch eines der Wohnhäuser von Antonio Gaudi, die Casa Mila, auch bekannt als La Pedrera, und das ehemalige Hospital de la Santa Creu i de Sant Pau. Beides beeindruckend und empfehlenswert, aber ich will den Bericht nicht noch länger machen. Also an dieser Stelle nur eine Empfehlung.
Am letzten Tag unseres Barcelona-Aufenthalts hatte Sophia ihren 16. Geburtstag. Bis zu ihrem neunten Geburtstag planten wir unseren Sommerurlaub immer um diesen Tag herum, weil sie ihn Hause verbringen wollten. Mit zehn Jahren änderte sich das und seither feiert Sophia in Städten wie Avignon, Amsterdam, London, Rom oder eben Barcelona. Sie wünschte sich den Besuch des Sea-Life-Centers (sie ist eindeutig die Tochter ihres fischverrückten Vaters) und Strand. Den Abend ließen wir in einem schönen, italienischen Restaurant ausklingen. Ja, italienisch, nicht spanisch. Ich glaube, wir hatten uns schon durch genug Tapas geschlemmt. 😉
vallon pont d´arc
Vallon Pont d´Arc war die letzte Station unser Reise, wieder in Frankreich, Richtung Heimat gelegen. Hier wollten wir es nochmal drei Tage lang ruhig angehen lassen und etwas entspannen. Thilo war als Kind mehrmals an der Ardèche gewesen und hatte sehr schöne Erinnerungen an die Landschaft und den Fluss. Ich buchte eine Ferienwohnung, die nach ihrer Beschreibung im Herzen eines Dorfes lag und in einem 120 Jahre alten Haus lag. Die Bilder sahen vielversprechend aus. Das Dorf entpuppte sich als der Touristenort in der Gegend und unsere Unterkunft lag wirklich mittendrin. Das hieß, wir wohnten malerisch und hatten den Markt mit tausend Köstlichkeiten direkt vor der Nase. Allerdings lagen die Schlafzimmer zur Straße hinaus und wir mussten nachts lüften, weil es heiß war und das Haus über keine Klimaanlage verfügte (stand anders in der Beschreibung, es hieß dann nur noch, die dicken Mauern des alten Hauses ließen keine Hitze hinein, dem war aber leider nicht so). Das quirlige Treiben endete gegen 2.30 Uhr und im Anschluss daran fuhr die Kehr- und Saugmaschine gefühlte Stunden immer wieder vor unserem Fenster hin und her. Ich war irgendwann soweit, eine Bombe rauszuwerfen, wenn sie sich noch einmal nähern würde. Habe ich schon gesagt, dass das Dorf sehr gepflegt und sauber war? Ja, jede Medaille hat zwei Seiten. 😉
Wirklich schön war die Umgebung: die Pont d´Arc, eine natürliche Steinbrücke über den Fluss Ardèche, die Steinhäuser mit den bunten Fensterläden. Thilo und die Mädchen liehen sich Kanus, während ich über den Markt schlenderte und anschließend beim Bible Art Journaling die Eindrücke unseres Höhlenbesuchs vom Vortag festhielt. Vor etwa zwanzig Jahren hatten Forscher in der Gegend eine Höhle entdeckt, in der die ersten Künstler der Menschheitsgeschichte vor ungefähr 36.000 (!) Jahren ihre Fuß- und Fingerabdrücke hinterließen und Tiere wie Pferde, Löwen und Rhinozerosse einem Meisterwerk gleich an die Wand malten. Die eigentliche Höhle darf nicht betreten werden, es gibt jedoch einen Nachbau, der - ich habe das nicht für möglich gehalten - das Gefühl vermittelt, man würde sich im Original befinden. Leider darf auch hier nicht fotografiert werden, deshalb gibt es keine Bilder von unserem Besuch.
Nun sind wir also wieder zu Hause: nicht besonders erholt (wie zu erwarten war), aber um viele tolle Eindrücke und Erlebnisse reicher und sehr dankbar, dass uns dieser Urlaub finanziell und gesundheitlich möglich war und dass wir auf allen Wegen bewahrt wurden. Keine Selbstverständlichkeit, das ist mir bewusst.
Thilo ist bereits wieder im Arbeitsalltag angekommen, während die Mädchen und ich noch eine Woche Ferien haben. In Bayern beginnt das neue Schuljahr ja erst am 10. September.
Sophia ist schon wieder unterwegs und macht in München ihren zweiten Trainerschein. Lina verbringt zwei Tage bei den Großeltern und ich sichte und sortiere: Urlaubsbilder- und erinnerungen,
Wäsche, Post und so langsam auch Schulunterlagen.
Ich genieße die angenehmen Temperaturen (Ist der Spätsommer nicht schön?) und freue mich auf "meine Jahreszeit", den Herbst.
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