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Eine Stimme

 

In den letzten Tagen schlugen die Wellen pro und contra Klimaschutz, Greta und Fridays for Future hoch. Das Thema polarisiert seit es in unseren Köpfen angekommen ist. Doch selten habe ich mich über Veröffentlichungen so gewundert und auch geärgert. Ich wollte mich da nicht reinhängen, denn ich habe nicht vor, noch mehr Gräben zu schaffen und ob ich es schaffe, Brücken zu schlagen, ist fraglich. Also beschloss ich, zu schweigen. Sollen die Anderen doch schreiben. Ich habe gerade genug damit zu tun, mich in meine neuen Aufgabenfelder in der Schule einzuarbeiten.

 

Aber dann kam diese Insta-Story. Ich erinnere mich weder, um was es ging, noch von wem sie war. Aber am Ende stand die Botschaft: Du hast eine Stimme! Nutze sie! 

Irgendwie packte mich das. Ja, ich habe eine Stimme. Nicht nur, um sie schriftlich an der Wahlurne abzugeben. Nicht nur, um zu singen (obwohl ich das gerne mache), wie das Blättervögelchen, das eins unserer Kinder schon vor vielen Jahren gestaltete, und das immer noch auf dem Klavier steht. 

 

Ich habe eine Stimme und sie kann - wer sich ein bisschen mit Kommunikation beschäftigt, weiß das - einen Fehdehandschuh auswerfen und versöhnen, zum Nachdenken, Widersprechen und Zustimmen anregen, sachliche und unsachliche Argumente laut werden lassen oder auch meine persönliche Meinung kundtun. Und Letzteres will ich hiermit versuchen. 

Ich beschäftige mich berufsbedingt gerade wieder ziemlich viel mit dem Thema Kommunikation, bin also gewissermaßen sensibilisiert,  wie viele Verletzungen und Missverständnisse dadurch entstehen können, wie etwas ausgedrückt wird. Denn nicht nur, was wir sagen, sondern vor allem wie, beeinflusst ganz stark, was beim Anderen ankommt und damit auch dessen Reaktion. Gerade die manchmal fatale Wirkung dieses  "Wie sage ich´s?" nehme ich aktuell auf Social Media Kanälen wahr. Bevor ich näher darauf eingehe, möchte ich doch noch schnell meine Meinung zum Thema "Greta & Co" loswerden:

  • Ich kann das Argument nicht nachvollziehen, dass es den Schülern beim Streiken nur ums Schuleschwänzen ginge. Läge den Jugendlichen wirklich etwas am Klima, hätten sie außerhalb der Schulzeiten ausreichend Gelegenheit, ihren Protest kundzutun. Warum soll das Eine das Andere ausschließen? Natürlich kann man nachmittags auf die Straßen gehen. Aber ein Streik ist das nicht. Streiks finden schon immer während der Arbeitszeit statt. Das zeichnet sie aus und ist das Druckmittel. Wenn Kita-Personal, Pflegekräfte oder die Müllabfuhr streiken, tun sie das nicht nach Dienstschluss, wenn die Arbeit erledigt ist. Man kann - meiner Meinung nach - sachlich über Sinn und Unsinn von Streiks diskutieren. Aber hier einen Unterschied zwischen Schülern und Arbeitnehmern zu machen, erscheint mir nicht logisch.
  • Ich nehme beunruhigt wahr, dass bei der ganzen Diskussion Sachen in einen Topf geworfen werden, die nicht zusammengehören. "Die Grünen sind keine Abtreibungsgegner. Die Grünen stehen hinter dem Thema Klimaschutz. Abtreibung ist schlecht, also ist es Klimaschutz auch." Das mag jetzt eine ziemlich überspitzte Zusammenfassung sein, im Sinne von konstruktiver Kommunikation vielleicht nicht gerade klug formuliert. Man möge es mir nachsehen. Aber ich habe tatsächlich im Zusammenhang mit dem Klimaschutz von grüner Indoktrination gelesen. Schüttet man damit nicht das Kind mit dem Bade aus?
  • Und zu guter Letzt: Es werden immer wieder Argumente laut, die Sache mit dem Klimawandel sei gar nicht so dramatisch. Man müsse da skeptisch sein. Es gäbe Untersuchungen … . Ich bin nicht dieser Meinung, aber klammern wir das ruhig mal aus. Bei Themen, die polarisieren, lassen sich immer Untersuchungen pro und contra finden (vgl. Impfen - ja oder nein). Nehmen wir also einmal hypothetisch an, es wäre gar nicht fünf vor zwölf für unsere Umwelt. Dann wären die ganzen Bemühungen um saubere Luft, sauberes Wasser, Schutz der (Regen-)Wälder, Verminderung von Abgasen … ja völlig umsonst! Wirklich??? Haben wir nicht eine Verantwortung gegenüber unserer Umwelt, auch bevor es fast zu spät ist? Gibt es in der Bibel nicht einen Auftrag zur Bewahrung der Schöpfung? Und steht darin etwas davon, dass wir mit damit erst anfangen sollen, wenn die K.... am Dampfen ist? Ich fasse das anders auf. 

Soweit zu meiner persönlichen Meinung. Und jetzt noch ein bisschen angewandte Kommunikationstheorie. Wir müssen nicht immer alle einer Meinung sein. Ich komme aus einer diskussionsfreudigen Familie und schätze den Austausch von Argumenten und Wissen als echte Bereicherung. Wenn wir dabei ein paar Regeln beachten. 

 

Ich wünsche mir, dass wir unsere persönlichen Meinungen jederzeit ohne Angst vor Sanktionen zum Ausdruck bringen können (das Recht auf freie Meinungsäußerung ist nicht umsonst in unserem Grundgesetz verankert), aber eben als das, was sie ist: Unsere persönliche Meinung. Lasst uns einander nicht vorschreiben, wie die Wahrheit aussieht. Das ist schon öfter schief gegangen.  Außerdem sollten wir uns selbst die Möglichkeit offen halten, die eigene Meinung zu revidieren. Und ich wünsche mir und uns, dass wir es schaffen, unsere Beziehung und unsere Einstellung zu einer Sache auseinanderzuhalten. Befreundet zu bleiben, sich weiterhin Wertschätzung entgegenzubringen, auch wenn wir unterschiedlicher Meinung sind. Ich bin da selbst eine Lernende, die immer wieder stolpert. Aber ich bin entschlossen. 

 

 

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Kommentare: 3
  • #1

    Monika (Freitag, 27 September 2019 14:15)

    Danke, Nicole!

    Das war der erste Beitrag zu dem Thema, den ich gelesen habe, der sachlich und nicht zynisch war.

    Mich erschreckt dieses Hauen und Stechen das ich hier und auch bei anderen Themen beobachten kann sehr. Und tatsächlich ist es so, dass viele für sich behaupten, die absolute Wahrheit zu kennen. Das kann schnell zu Fanatismus ausarten und der ist gefährlich.

    Persönlich bin ich der Ansicht, dass wir hier nur was erreichen können, wenn bestenfalls weltweite, doch zumindest europaweite Regelungen gefunden werden können. Und doch muss jeder bei sich selbst anfangen.

  • #2

    Martha (Freitag, 27 September 2019 18:06)

    Du hast mir mit deiner Meinung zu "Greta und co" aus dem Herzen gesprochen... danke für deine Stimme!
    lg Martha

  • #3

    Martina (Freitag, 27 September 2019 19:20)

    Liebe nici,
    Du hast es getroffen.genau so.es gibt nicht immer nur die eigene Meinung und die falsche.klar ist dass etwas passieren muss.von jedem einzelnen.es wird nicht immer bequem sein aber es werden sich Wege finden.wenn Du im Beruf auch so kommunizierst ist klar dass Du diese neue Stelle bekommen hast.du bildest leute aus die ihrerseits kinder betreuen und damit für die zukunft vorbereiten. Dir einen schönen Abend.
    Martina