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Advent, Advent, die Nici rennt

 

Seit zwei Monaten bin ich jetzt in Amt und Würden. Aus bescheidenen vierzehn Stunden Arbeitszeit wurden vierundzwanzig. Zur Kinderpflege haben sich Altenpflege und stellvertretende Schulleitung gesellt. Meine Arbeitswelt ist bunter geworden, vielfältiger, interessanter. Ja, es macht mir wirklich Spaß und bereichert mich. 

Aus einer Mittags-ist-jemand-zu-Hause- und "Ich-kann-dich-fahren.-Wohin-musst-du?"- Mutter ist eine "Ich-komme-direkt-17.00 Uhr-zur-Turnhalle.-Es-kann-auch-ein-bisschen-später-werden"-Mutter geworden. Meine Familie macht das erstaunlich gut. Nach ein paar Wochen Anlaufzeit ("Was ist so schwer daran, eine leere Wasserflasche wegzubringen? Und überhaupt, warum muss ich nach einem langen Arbeitstag hier noch euern ganzen Kram aufräumen?") wird die Selbstständigkeit größer. Wir haben einen Pizza-Abend eingeführt und freitags kocht mein Mann. Die Noten des jüngeren Teenagers haben sich nach einem etwas holprigen Start ins Schuljahr wieder in einem guten Normalbereich eingependelt, womit meine Selbstzweifel ("Ich habe zu früh wieder den Fokus auf´s Berufsleben gesetzt) sich beschwichtigen ließen. 

Dennoch: An Tagen, wo zu Hause alles glatt läuft, habe ich das Gefühl, im Job ineffektiv zu sein, mehr Chaos anzurichten als Unterstützung zu bieten und es nie zu lernen, das Stundenplanprogramm zu beherrschen, wie meine Chefin es tut. 

Und an Tagen, an denen ich zufrieden nach Hause komme (der Erasmus-Antrag macht große Fortschritte und der Vertretungsplan steht), habe ich das erste Mal, seit sie auf der Welt ist, den Geburtstag meines Patenkindes vergessen. 

Und irgendwo zwischen all dem trubeligen Berufs- und Familienalltag ist die Weihnachtszeit angebrochen. Stade Zeit - stille Zeit - geliebte Zeit.

 

 

Kurz vor knapp befülle ich Adventskalender für jedes Familienmitglied und schmücke den Kranz, den meine Mutter mir dankbarerweise gebunden hat. Ich lege das Weihnachtsoratorium in den CD-Player und gebe mir in voller Lautstärke "Jauchzet, frohlocket", wie jedes Jahr. Einstimmen, ankommen, ruhig werden (trotz Lautstärke 😉). Das Haus ist geschmückt, der Herrnhuter Stern leuchtet vor der Tür. Bei den Praxisbesuchen tauche ich in die Weihnachtsvorfreude der Kinder ein. Was Weihnachten anbelangt, bin ich selbst Kind geblieben. Und dennoch: Irgendwie hangle ich mich im Moment von einem Tag zum nächsten, werde meinen hartnäckigen Husten nicht los und versuche, die Wochenenden möglichst frei zu halten, obwohl ich Weihnachtsmärkte liebe. 

Gestern ist der Herrnhuter Stern vor unserem Haus dunkel geblieben. An der Stromverbindung liegt es nicht. Vermutlich ist nach Jahren einfach nur die Glühbirne durchgebrannt. Ein kleines bisschen kann ich ihn verstehen. 

 

 

Aber, halt! Ehe jetzt jemand auf falsche Gedanken kommt. Mir geht´s gut. Ich habe eine tolle Familie, die mich unterstützt, wo sie kann. Und einen interessanten, abwechslungsreichen Job mit lauter netten Kollegen. Ich bin nur von der ungeduldigen Sorte und kann nicht so gut akzeptieren, dass die Umstellung von viel Freizeit auf viel Arbeitszeit nicht so ohne weiteres von statten geht. Dass ich manchmal das Gefühl habe, mehr Hilfe zu brauchen als zu geben. Dass ich nicht perfekt bin und Sachen vermassle, die mir wichtig sind. Der vergessene Geburtstag und der erloschene Stern gestern haben mich nachdenklich gemacht. Heißt es nicht gerade in der Weihnachtszeit: "Mache dich auf und werde licht." Aber der Text geht ja weiter "... denn dein Licht kommt."  (Jesaja 60,1) Und ein anderer meiner Lieblingssätze aus Jesaja lautet: "Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht." Vor Jahren war das Spruchband um die Weihnachtspost einer befreundeten Familie gewickelt und schmückt seitdem jedes Jahr im Dezember unseren Spiegel im Flur. 

 

Am ursprünglichen Heiligen Abend war bei Weitem nicht alles perfekt. In Bethlehem herrschten bestimmt Trubel und Chaos, wenn Maria und Joseph nicht mal eine Unterkunft fanden. Während der besinnlichen Adventszeit, die es damals noch gar nicht gab, unternahmen die beiden eine für die hochschwangere Maria äußerst herausfordernde und beschwerliche Reise. Sie haben es geschafft. Schritt für Schritt sind sie ans Ziel gekommen. Nach der Geburt wurde es für die kleine Familie nicht leichter. Sie waren Flüchtlinge und schließlich zogen Maria und Joseph ein ganz besonderes Kind auf, das es ihnen sicher nicht immer einfach machte.   

 

 

Aber mit dem ersten Weihnachten hat sich der Fokus verändert. Hoffnung ist in die Welt gekommen. Ein Orientierungspunkt, an dem ich mich ausrichten kann, wenn ich mich überfordert fühle. An meinem Orga-Board im Büro hängt zwischen wichtigen Telefonnummern, Büroklammern und anderen Utensilien eine Postkarte mit dem Spruch: "Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen: Woher wird mir Hilfe kommen? Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat." (Psalm 121,1) 

 

In diesem Sinne wünsche ich euch eine gute advents- und Weihnachtszeit. auch - und gerade - wenn´s hektisch und unperfekt wird. seid gesegnet!

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Kommentare: 1
  • #1

    Judith (Mittwoch, 04 Dezember 2019 12:51)

    Bin durch Insta auf deinem Blog gekommen und finde ihn ganz wundervoll. Danke für den Einblick in dein Leben und deine tollen Fotos!