Als ich mich gestern Morgen auf den Weg zur Arbeit machte, ignorierte ich erste Anzeichen von Kopfschmerzen. Es gibt solche und solche bei mir. Die, die sich bei Ablenkung von selbst erledigen und die, bei denen man am besten gleich beim kleinsten Schmerz eine Tablette nimmt. Ich ahnte, es waren Letztere, aber irgendwie blieb ich stur und entschied mich fürs Aushalten. Ich hatte Praxistag, d.h. ich besuchte zwei meiner Schülerinnen in ihrer jeweiligen Praktikumsstelle, um mir gemeinsam mit der anleitenden Erzieherin anzusehen, wie sie ein Sachgespräch führten. Ich mag diesen Teil meiner Arbeit sehr. Krippen, Kitas und Horte der verschiedensten Konzeptionen in Stadt und Land stehen auf meiner Liste. Praxisluft schnuppern und der Austausch mit Elementarpädagog/innen verhindern, dass mein Unterricht zu theoretisch wird. Bereits während die erste Schülerin im Sitzkreis über Zahnpflege und Zahnarztbesuche sprach, die Kinder von ihren Erlebnissen berichteten und ein Gebissmodell putzten, wurde das Pochen in meinem Kopf stärker. Ich habe Kopfschmerztabletten in meiner Tasche und erwog, beim Reflexionsgespräch eine zu nehmen. Meistens bekomme ich etwas zu trinken angeboten, manchmal geht das aber im Tumult des Alltags unter. So auch gestern. Also fuhr ich zum nächsten Praxisbesuch. Diesmal ging es um gesunde Ernährung. Sehr anschaulich und kindgemäß vermittelt. Zum Pochen in meinem Kopf gesellten sich Nackenschmerzen. Ich hatte bisher nur einmal in meinem Leben eine echte Migräne. Mit Sehstörungen, Übelkeit und diesen Nackenschmerzen. Beim nächsten Reflexionsgespräch würde ich auf jeden Fall eine Tablette nehmen. Es war wie verhext. Wieder nichts zu Trinken. Man müsste meinen, ich sei Frau genug, um etwas Wasser zu bitten. Aber ich führte erstmal das Gespräch zu Ende. Inzwischen kroch Übelkeit in mir hoch. Als ich kurz davor war, zur Toilette zu sprinten, fragte ich nach Wasser und schluckte endlich die Tablette. Brachte das Gespräch freundlich, aber knapp zu Ende und ließ mich danach ins Auto fallen. Erstmal durchschnaufen, noch nicht losfahren. Die 35 km lange Fahrt nach Hause klappte ganz gut. Ich wusste von der weit zurückliegenden Migräneattacke, was zu tun war. Ab ins Schlafzimmer, Rollos nach unten und schlafen, so gut es eben ging. Allerdings wird gerade unser Bad saniert. Am Vorabend war ich dezent enttäuscht, wie wenig voran gegangen war. Also würden die Handwerker heute bestimmt gut zu tun haben. Ich war unglaublich erleichtert, dass dem nicht so war. Niemand da. Während die Kinder zu Mittag aßen, verkroch ich mich ins Bett und ward die nächsten zweieinhalb Stunden nicht mehr gesehen. Beim Aufwachen fühlte ich mich wieder wie ein Mensch. Ganz leichte Übelkeit begleitete mich noch bis zum Abend, aber sonst war alles gut. Was hatte mich da nur erwischt?
Diese Frage ließ mich am Abend tatsächlich nicht los. Thilo war über Nacht auf einer Bauleitertagung und ich hatte viel Zeit zum Nachdenken, nachdem die Mädels in ihren Zimmern verschwunden waren. Ich bin groß und stark und mich haut so schnell nichts um. Keine Ahnung, wann ich mich das letzte Mal in der Arbeit krank gemeldet habe. Und dafür bin ich dankbar. Umso mehr erstaunen mich solche seltenen "Knockouts".
Ein kleines Resümee der letzten wochen
Was war denn los in den letzten Wochen? Eigentlich nur der ganz normale Alltag. Obwohl … . Wir hatten eine französische Austauschschülerin bei uns, Lina feierte Geburtstag, erste Vorbereitungen für ihre Konfirmation laufen, die Badrenovierung zieht sich in die ich weiß nicht wievielte Woche. In der Schule sind wir gerade personell unterbesetzt und jeder hilft aus, wo er kann. Ich hatte noch nie so große Abschlussklassen und mir ist bewusst, dass ein Krankheitsausfall bis Juli eigentlich nicht drin ist. Hatte ich nicht kürzlich erst ein Gespräch mit meiner Kollegin, dass auch wir großen, starken Frauen auf uns aufpassen müssen?
Ich glaube, sogar das Wetter setzt mir zu. Ein irrwitziger Wechsel aus Sonne, Wolken, Schnee, Gewitter, Hagel, Sturm und Temperaturschwankungen. Wie lange geht das jetzt eigentlich schon so? Mir fehlt der Schnee in diesem Jahr. Das Knirschen unter den Füßen beim Spazierengehen, die Stille, die sich mit der weißen Decke über das Land legt. Nichtsdestotrotz sehne ich mich nach dem Frühling. Dem Aufbruch und Neubeginn in der Natur, der Kraft und Farbe. Aber diese Zeit ist nicht Winter, nicht Frühling. An einem Tag ist mir kalt, am nächsten schwitze ich im Pullover. Nichts Halbes und nichts Ganzes. Herausfordernd für einen 100 %-Menschen wie mich.
Eine Zwischenzeit.
Zwischenzeit
Zwischenzeit? Kommt mir irgendwie bekannt vor. Es ist gerade zwei Wochen her, dass wir uns im Frauenkreis damit beschäftigt haben. Wir sind zwölf Frauen zwischen Mitte dreißig und Anfang fünfzig, die seit über zehn Jahren miteinander unterwegs sind. Nach und nach werden beim Singen mehr Lesebrillen gezückt. Die Gespräche über unsere Kinder drehen sich nicht mehr um schlaflose Nächte und Kindergartenprobleme. Stattdessen geht es um Führerschein, die Wahl der W- und P-Seminare, Ausbildung und Auslandsaufenthalte. Immer wieder mal kommt auch das Thema Wechseljahre auf. Manche von uns haben das Gröbste hinter sich, Andere stecken mittendrin oder erahnen gerade, was demnächst auf sie zukommen könnte. "Irgendwo habe ich einmal gelesen, man gehörte jetzt zu den alten Jungen und zu den jungen Alten. Zu beiden ein bisschen und keinem so richtig. Wie in der Pubertät." (aus "Stroh zu Gold - Entdecken, was mein Leben wertvoll macht")
So ist es. So fühlt es sich an. Eine Zwischenzeit. Und das Verrückte ist, dass die meisten von uns Kinder haben, die sich auch in einer Zwischenzeit befinden. Nur eben in der anderen. Herausfordernd.
Was mache ich nun mit dieser Erkenntnis? Kopf in den Sand oder Augen zu und durch? Die Wahrheit liegt wohl, wie immer, irgendwo in der Mitte. Und jeder kann und darf seinen eigenen Weg finden. Ich habe in den letzten Jahren entdeckt, dass es mir gut tut, immer mal wieder Auszeiten vom Alltag zu nehmen. Das geht jetzt, wo die Kinder älter sind, auch wesentlich leichter als noch vor ein paar Jahren. Diese Auszeiten sind ganz bunt. Es kann ein Bloggertreffen sein oder Schreibexerzitien auf Norderney. Während Thilo und die Kinder in den Faschingsferien ein paar Tage Skifahren sind, habe ich Oasentage im Kloster gebucht. "Verwurzelt - Impulse zur Lebensgestaltung" ist das Thema. Mal gucken, ob es meins ist. Klingt auf jeden Fall spannend, finde ich. Nicht immer kann ich mich ein paar Tage komplett aus dem Alltag zurückziehen. Deshalb finde ich auch Oasenstunden wichtig. Ich hänge sehr an meinem arbeitsfreien Tag. Selbst wenn er manchmal ausfällt oder mit Wäschewaschen und Einkaufen gefüllt wird, ist er eine willkommene, wohltuende Unterbrechung. An einem solchen Tag treffe ich mich auch mal zum Frühstücken mit einer Freundin oder streife am Waldrand entlang. (Für das tiefere Eintauchen in den Wald fehlt mir der Mut. Ich bin tatsächlich eine Frau von bald Mitte vierzig, die sich fürchtet, alleine im Wald spazieren zu gehen. 🙈)
Egal, wie deine persönlichen Oasenzeiten aussehen, wichtig ist, sie bewusst und regelmäßig einzubauen. Bevor der Druck zu groß wird und sich das kleine schmerzhafte Pochen zu einer handfesten Migräne auswächst. Auch große, starke Frauen brauchen Achtsamkeit sich selbst gegenüber. Ich bin gerade dabei, das zu lernen.
Kommentar schreiben