"Der andere Advent" ist ein Adventskalender für Erwachsene. In diesem Jahr ist er bereits ausverkauft. Ich glaube, der Begleiter durch die Weihnachtszeit ist sehr beliebt. Aber vielleicht hat auch Corona ein bisschen was damit zu tun, dass er sich in diesem besonderen Jahr wie noch heißere Semmeln verkauft hat. "Der andere Advent" - einen passenderen Namen könnte es für den Adventskalender 2020 wohl kaum geben.
Mit Weihnachten habe ich ein Luxusproblem, das ist mir bewusst. Und auch, dass es viele Menschen sicherlich nicht im Geringsten nachvollziehen können. Ich hatte keine größeren Schwierigkeiten mit dem Lockdown im Frühjahr. Im Gegenteil, ich erlebte ihn als gewisse Entschleunigung und Gelegenheit, die Notwendigkeit unserer Terminflut mal unter die Lupe zu nehmen. Ostern wurde sogar ein besonders schönes Fest. So bewusst gestaltet und gefeiert wie nie zuvor. Als dann aber vor ein paar Wochen verkündet wurde, dass es keine Weihnachtsmärkte geben wird, traf mich das mit voller Wucht. Als ob ich ein kleines Kind wäre, das in diesem Jahr einmal weniger Karussell fahren darf. Als ob mein Hauptjahresgeschäft davon abhinge. Völlig unbegründet traf mich diese Ankündigung, weil ich eine solche verklärte Romantikerin bin, was Weihnachten angeht. Schon immer. Es mag einer Mittevierzigerin völlig unangemessen sein, aber ich trauere um die Vorweihnachtszeit.
Und als ob das nicht genügen würde, haben wir ausgerechnet jetzt beschlossen, unser Wohnzimmer zu renovieren. Was hat mich da eigentlich geritten? Habe ich nicht in den Kalender geschaut? Wenn Weihnachten mein liebstes Fest im Jahr ist, so ist das Wohnzimmer mein Lieblingsort im Haus. Wenigstens dort muss es einigermaßen aufgeräumt sein und gemütlich. Das große Sofa ist mein Rückzugsort und Platz familiärer Pizza-und Netflix-Orgien. Hier steht in der Vorweihnachtszeit der große Lichterbogen aus dem Erzgebirge auf der Fensterbank. Im anderen Fenster leuchtet ein Stern so schön, dass man ihn schon von außen sieht. In diesem Raum werden die Adventskerzen entzündet und die Nussknacker aufgereiht. Hier liege ich am ersten Advent ausgestreckt auf dem Parkett und höre "Jauchzet frohlocket" in voller Lautstärke, weil das dazugehört, wenn Weihnachten kommt.
Und dieser besondere Ort unseres Hauses ist jetzt eine einzige chaotische Baustelle, deren Ende noch nicht abzusehen ist.
Zu Beginn der Weihnachtszeit.
Der andere Advent.
Abend für Abend verbringen wir hier: montieren Fußbodenleisten ab, klopfen Fliesen raus. An meinem freien Nachmittag streiche ich eine Wand fertig und präsentiere Thilo abends stolz mein Werk. Die kommende Stunde verbringt er damit, Farbe von Fensterrahmen und Parkett zu entfernen, die dort nicht hingehört. Ich weiß auch nicht, wo sie herkommt. Hatte ich doch alles abgeklebt. In manchen Familien wohnen ja Wichtel in der Vorweihnachtszeit. Vielleicht haben wir auch welche und sie toben sich gerne am Farbtopf aus.
Thilo und ich arbeiten nebeneinander und miteinander. Mal schreien wir uns genervt dabei an, mal frotzeln wir rum und haben jede Menge Spaß. Mal herrscht konzentriertes Schweigen. Und manchmal tauschen wir uns darüber aus, wie es wohl sein würde, wenn wir zusammenarbeiteten. Wie der Andere als Kollege wäre. Oder als Chef. (Wir belassen es lieber dabei, beruflich getrennte Wege zu gehen 😅) Es sind interessante Themen, denen wir uns hier mal mehr mal weniger ernst nähern. Im Alltag würden wir sie wohl nicht führen. Und dann fallen wir nach getanem Werk erschöpft ins Bett und verschlafen schon mal, so wie heute morgen (Gott sei Dank hat Thilo einen inneren Wecker und ich heute meinen freien Tag, so dass alle noch rechtzeitig aus dem Haus kamen).
Der andere Advent.
Vielleicht ist er besser als der Ruf, der ihm vorauseilt?
Während wir vor uns hinarbeiten, versorgen uns die (Groß-)Elternpaare mit Kuchen und einem Adventskranz, den ich nur noch schmücken muss. Die Kinder zaubern Nudelauflauf und Plätzchen.
Ideen für unseren eigenen Weihnachtsmarkt auf der Terrasse entstehen. Wir könnten doch die Feuerschale anwerfen, Bratwurstsemmeln und/oder Waffeln machen, uns damit ans wärmende Feuer stellen und Weihnachtmusik aus dem Wohnzimmer nach draußen schallen lassen. Die Stereoanlage ist noch angeschlossen. Ach Quatsch, braucht man ja alles gar nicht mehr. Wozu gibt es Bluetooth-Lautsprecher? Und bestimmt bekommt man auch irgendwoher gebrannte Mandeln.
Vielleicht ist es am Ende sogar wie mit Ostern und es wird ein ganz besonderer Advent - dieser andere Advent.
Der Engel damals kam ja auch nicht in ein perfekt weihnachtlich gestyltes Wohnzimmer. Unserer hat sich schonmal mitten ins Baustellenchaos begeben. Und mir scheint, als hörte ich seine Botschaft hier sogar lauter als sonst: "Fürchtet euch nicht! Denn siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird."
Können wir das nicht gerade besonders gut gebrauchen - in diesem anderen Advent ...
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Kerstin August (Mittwoch, 23 Dezember 2020 15:48)
Der andere Advent⭐
das hast du sehr schön geschrieben ich wünsche dir einen Lichtvolle Wihnachts Zeit und alles gute für das neue Jahr ,
Ein lieben Gruss aus den 3Länder Eck. ⭐
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