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Von ängstlichen Engeln, Schäfchen und Menschen

 

Es begab sich aber vor langer Zeit, im letzten Jahrtausend, dass ich ein Engel war. Ein Engel im langen weißen Nachthemd und Nylonstrumpfhosen tragend, die ich bereits am selben Tag zerriss, wie ich es heute noch zu tun pflege. Manche Dinge ändern sich nie. Ich war ein Engel im Krippenspiel unserer Kirchengemeinde, der wie seine Engelsgefährden ein Licht entzündete und "Vom Himmel hoch, da komm ich her" sang. Es ist lange her. Bestimmt war ich aufgeregt und auch ein bisschen stolz. Was ich jedoch noch ziemlich genau weiß: Ich war ein ängstlicher Engel. Und das hing mit dem Entzünden des Kerzenlichts zusammen. Im Herbst hatte ich aus Kastanien, Eicheln und Streichhölzern Tiere gebastelt. Dazu wurde die rote Spitze des Streichholzes abgebrochen, damit nichts passierte. Ich war aber neugierig, rieb diese kleine Spitze an der Streichholzschachtel und verbrannte mich. Nicht dramatisch, es blieben keine Narben. Aber der Schreck! Ich hatte mit dem Feuer gespielt und mir die Flügel verbrannt. Der Engel, der an Heilig Abend in der Kirche stand und eine Kerze entzünden sollte, war ein gebranntes Kind. Kein perfekter Engel?

 

Viele Jahre später gab es wieder ein Krippenspiel. Weit weg von der damaligen Leipziger Kirchengemeinde in einer Kleinstadt bei Nürnberg. Eine Schafherde suchte Verstärkung und unsere Töchter, damals fünf und fast drei Jahre alt, hatten die Ehre. Das größere Schäfchen fügte sich ohne Probleme in die flauschige Herde ein. Das kleinere war ein ängstliches Exemplar. Es fürchtete sich vor dem Esel. Der Esel, ein lieber Bekannter, lüftete sogar seine Eselsmaske, um zu zeigen, dass er ganz und gar ungefährlich und vertrauenswürdig war, aber es nutzte nichts. Das kleine Schäfchen fürchtete sich. Kein perfektes Schäfchen? 

 

 

In diesem Jahr fallen die Krippenspiele aus oder sie wurden mit Abstand im Freien gefilmt und kommen - wie der Weihnachtsgottesdienst - digital in unsere Wohnzimmer. 

 

In diesem Jahr sind nicht nur die Engel und Schäfchen ängstlich. 

 

Kein perfektes Weihnachten?

 

Was ist eigentlich ein perfektes Weihnachten? Der geschmückte Christbaum im Wohnzimmer, unter dem die Geschenke aufs Auspacken warten? "Oh du fröhliche" in der Kirche singen, wenn alle Lichter ausgehen und nur noch die Kerzen am Baum leuchten? Das große Familientreffen bei Gänsebraten und Kloß? 

 

Wir stellen heute den Christbaum auf. Unser "Oh du fröhliche" wird dieses Jahr - zu viert - etwas dünner klingen als sonst. Mein Mann wagt sich das erste Mal an einen Gänsebraten. Die Großeltern sitzen am 24.12. nicht mit unterm Christbaum. Wir besuchen sie einzeln an den Feiertagen und statt Gans gibt es Wintergrillen im Freien. Irgendwie anders, ja. Aber ich glaube, dass in diesem irgendwie anders auch ein besonderer Zauber liegen kann. Weniger Trubel, mehr Besinnung. Vielleicht sogar ein bisschen "echter" als sonst, wobei wir immer noch in unseren warmen Wohnzimmern sitzen und nicht in einem zugigen Stall. 

 

Weihnachten. Gottes Sohn kommt zur Welt. Wird Mensch. Wird in dir, in mir, in uns geboren.

 

Über denen, die im Dunkeln wandeln, strahlt ein Licht auf. 

 

Über ängstlichen Engeln.

Und ängstlichen Schafen.

Und ängstlichen Menschen.

Über dir und über mir.

 

"Welt ging verloren, Christ ward geboren. Freue, freue dich, oh Christenheit!"

 

gesegnete weihnachten !

 

Auf dem Blog gibt es jetzt Weihnachtsferien. Wir lesen uns im neuen Jahr. Bleibt behütet und gesegnet!

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