Ich mag das Leiblich-Sinnhafte, das in unserer Sprache so unglaublich weise den Nagel auf den Kopf trifft (auch eine schöne Redensart). Da liegt einem etwas schwer im Magen, bereitet Herzklopfen oder die sprichwörtliche Laus ist über die Leber gelaufen.
Ich bin seit einer halben Ewigkeit überzeugte Kontaktlinsenträgerin. Immer habe ich sie bestens vertragen und die wenigen Male, in denen ich z.B. mit einer Bindehautentzündung auf die Brille zurückgreifen musste, waren furchtbar für mich. Ich weiß, es gibt Schlimmeres. Aber ich hasste beschlagene Brillen beim Öffnen der Spülmaschine, mit Maske und Brille ging gar nichts und außerdem kam ich mir beim Treppensteigen immer vor, als hätte ich einen leichten Schwips. Wie gut, dass es Kontaktlinsen für Menschen wie mich gibt.
Vor zwei drei Jahren machte ich Bekanntschaft mit Lidrandentzündungen und altersbedingt trockenen Augen (Mist, als wären Falten & Co nicht schon genug Erinnerung daran, dass ich nicht mehr taufrisch bin). Die Brilleneinsätze wurden mehr. Meine Augenärztin erzählte etwas von jahrelangem Sauerstoffmangel meiner Augen und riet zu Brille, wenigstens harten Linsen. Fest entschlossen machte ich mich auf dem Weg zum Optiker (müsst ihr bei diesem Wort auch immer an Mariana Lekys "Was man von hier aus sehen kann" denken?). Harte bifokale Kontaktlinsen sollten es werden. Denn - ihr ahnt es - die Weitsichtigkeit hat mich inzwischen natürlich auch erwischt. Wenn man eigentlich mit ausgestrecktem Arm lesen müsste, um die Buchstaben zu erkennen, dann aber durch die Kurzsichtigkeit auch nichts mehr sieht, wird es Zeit für Gleitsichtbrillen, Bifokal-Linsen und Co. Oder Hörbücher ... .
Lange Rede, kurzer Sinn: Ich probiere seit mehreren Wochen das Eintragen harter Linsen und ich kann wirklich etwas durchziehen, wenn ich es mir in den Kopf gesetzt habe. Aber inzwischen rät selbst der Optiker, der seine Linsen eigentlich verkaufen möchte, mir zu sehr reduziertem Kontaktlinsentragen und im Alltag ... Brille. Das einzig Gute an der Sache: Er hat mir bei meiner letzten Augenentzündung eine Brille verkauft, mit der ich erstaunlich gut zurechtkomme. Und die mir tatsächlich Komplimente beschert. Irgendwie bin ich inzwischen fast geneigt, den Leuten zu glauben, das mir die Brille steht. Und wenn´s nur für mein angeschlagenes Selbstwertgefühl ist.
Zu Beginn des Blogposts hatte ich etwas von der sprichwörtlichen Weisheit unserer Sprache geschrieben. Und nachdem in meinem beruflichen Leben gerade alles so was von über den Haufen geworfen wird, denke ich immer mal wieder darüber nach. Ob hier gerade etwas ins Auge geht? Ob ich noch den richtigen Durchblick habe oder sehenden Auges in mein Verderben renne?
Im August habe ich die Schulleitung an der Berufsfachschule für Kinderpflege übernommen, in der ich seit fast 15 Jahren arbeite. Das erste Jahr Schulleitung ist eine Herausforderung. Ich habe sie nicht aktiv gesucht, aber angenommen, als sich die Türen dafür öffneten, denn ich habe in meinem Leben die Erfahrung gemacht, dass Dinge, die von selbst zu mir kommen, gesegnet sind, weil es wohl so sein soll. Berufung und so ... ihr wisst schon. "Mache dich auf und handle! Und der Herr möge mit dir sein" (1. Chronik 22,16) und ähnliche Bibeltexte liefen mir über den Weg, als ich damals überlegte, ob ich diesen Weg einschlagen soll. Und ich hatte und habe tatsächlich das Gefühl, es war eine gute Entscheidung. Ich habe ein mir wohlgesonnenes Kollegium, das motiviert für neue Wege ist. Die Schülerinnen und Schüler ziehen bei Projektideen mit und mein "Macher-Gen" kann sich richtig austoben. Trotzdem ist es natürlich fordernd, aber auch bereichernd. Es hätte mir, so wie es war, gereicht. Viel Arbeit, viel Ernte. Anstrengend, aber machbar.
Vor ein paar Wochen änderte sich die Situation plötzlich. Im nächsten Schuljahr soll eine Fachakademie für Sozialpädagogik entstehen. Ein logischer Schritt, der gut in unser Haus passt, und den das Kollegium schon seit einigen Jahren gerne gehen wollte. Eine Möglichkeit für unsere Absolvent*innen, ihren beruflichen Weg fortzusetzen und eine neue, gute Herausforderung für das Kollegium, das an beiden Schulen unterrichten kann. Es gab eine Projektleitung, die auch die spätere Schulleitung werden sollte. Eine gute, enge Zusammenarbeit der beiden Schulleitungen, die sich ein Team teilen würden, war unerlässlich. Ich wurde zunächst über Protokolle bezüglich der Arbeit des Projektteams auf dem Laufenden gehalten, da es meine Schule ja in nicht unerheblichem Maß betrifft. Schnell nahm ich an den wöchentlichen Sitzungen teil, arrangierte Schulhausführungen mit der Projektleitung, verfasste Stellenausschreibungen, wurde immer mehr involviert. Neben 12 Stunden Unterricht und der Leitung meiner eigenen Schule wurde der Berg immer größer und meine Arbeitstage wuchsen auf 11-12 Stunden an. Pausen machte ich schon lange keine mehr. Gerade, als ich dies der Geschäftsführung mitteilte und um Anerkennungsstunden bat, um wenigstens etwas Unterricht abgeben zu können, wurde ich gefragt, ob ich neben der Leitung der Berufsfachschule zumindest für die vierjährige Zeit des Aufbaus auch die der neu zu gründenden Fachakademie übernehmen könne. Die bisherige Projektleitung war abgesprungen. Ich könnte meinen Unterricht, so weit in meinem kleinen Lehrerteam möglich, abgeben und mich vor allem um die Leitungsaufgaben für beide Schulen kümmern. Es gab nicht viel Zeit zum Nachdenken. In einem halben Jahr soll die neue Schule eröffnen und es gilt in ein paar Monaten alles auf den Weg zu bringen: Vorstellungsgespräche und Einstellungen, Schülerakquise, Netzwerkarbeit, Behördengeschichten, Curriculumarbeit ... . Eigentlich der schiere Wahnsinn. Ich habe ja auch nicht vor, meine Berufsfachschule zu vernachlässigen. Bei der ich im ersten Schulleiterjahr immer noch am Einarbeiten und Ankommen bin und an der mein Herz hängt. Vielleicht hätte ich ablehnen sollen. Aber da war niemand Anderes und mein Kollegium möchte die neue Schule sehr gerne. Vielleicht spielt aber auch - zugegebenermaßen - ein kleines bisschen der Nervenkitzel, diese besondere Herausforderung anzunehmen, eine Rolle. Wann baut man schon eine neue Schule auf?
Ihr ahnt es, die Elf-Stunden-Tage haben nicht aufgehört. Stattdessen gehören Ferien gerade der Vergangenheit an. Und - manche von euch haben es bereits gemerkt und mich darauf angesprochen - die Bloggerei auch. Genauso wie regelmäßige Waldspaziergänge und gesunde Ernährung. Irgendwann zwischen 18.00 und 19.00 Uhr telefonieren mein Mann und ich miteinander, wer heute eher zu Hause ist, was sich wohl noch im Kühlschrank befindet oder wo wir etwas zu Essen bestellen. Mein Gewicht ist schon wieder bedenklich nach oben geklettert (Leider bin ich kein Mensch, der bei Stress abnimmt. Man kann sich ja auch während der Arbeit schnell etwas in den Mund schieben und nach einem langen, anstrengenden Tag legt man abends auf dem Sofa die Füße hoch, lässt sich vom Fernseher berieseln und belohnt sich mit Schokolade). Das kann nicht ewig so gehen, ich weiß. Oje, und ich habe ein schrecklich schlechtes Gewissen, dass ich euch hier so die Ohren volljammere. Eigentlich wollte ich ja nur über die neue Brille schreiben. Oder?
Vielleicht steckst du auch gerade in irgendeiner großen oder kleinen Sache, die dich mit all deinen Stärken und Schwächen herausfordert und an deine Grenzen bringt, dich aber auch im Positiven packt und reizt. Vielleicht ist es auch für dich gerade eine Herausforderung, zu erkennen, wie weit du gehen kannst und wo du eine Grenze ziehen musst. Dann möchte ich den Segen mit dir teilen, den ich zu Beginn diesen Jahres von Brot und Liebe bekommen habe:
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annette (Dienstag, 07 März 2023 16:37)
....ganz herzlichen dank für diesen tollen post....es gefällt mir wie du den durchblick unterschiedlich deutest.....
vg
annette