Die Abstände meiner Blogartikel werden immer länger. Die fehlende Zeit ist das Eine und dann gibt es da noch etwas anderes. "Schreibblockade" könnte man es nennen oder "Erschöpfung". Es lässt sich nicht so recht greifen. Mein (beruflicher) Alltag tut mir nicht gut. Vielleicht ändere ich aber gerade etwas daran. Mal sehen ...
Nach Monaten der absoluten Überlastung - kurzer Reminder: Mein erstes Jahr Schulleitung und parallel Aufbau einer neu zu gründenden Schulart in unserem Haus - kam der Sommerurlaub wie ein rettender Strohhalm. Ich habe es geschafft, die Schule ein Stück weit aus meinen Gedanken zu verbannen, auch wenn die dienstlichen E-Mails sich nicht völlig vermeiden ließen. Zu sehr hatte die Arbeit in unser Privatleben Einzug gehalten. Längst waren wir über das normale Maß an Austausch "Und wie war es bei dir heute so?" hinaus gegangen. Öfter hörte ich Thilo Sätze, wie "Wir sind jetzt schon mit der Schule eingeschlafen, jetzt lass uns nicht auch noch mit der Schule aufwachen" sagen.
Nach einer wunderschönen Zeit in Brüssel, der Bretagne und Paris hatte ich das ganz große Glück, wieder an Schreibexerzitien in Norderney teilnehmen zu können. Schreibutensilien, Ruhe, das Meer und ich - was für ein Segen. Es waren meine dritten Schreibexerzitien auf der Insel. Und das erste Mal, dass ich sie als Therapie wahrnahm. Wie auch immer die Schreibanregungen lauteten, ich kam - in einer guten, heilsamen Weise - auf die Schule, den Raum, den sie einnimmt, die Enge der Aufgaben und die Weite der Möglichkeiten.
Endlich saß ich nicht mehr zehn Stunden am Schreibtisch mit einem Bewegungsradius zwischen Lehrer-/Klassenzimmer, Kopierraum und Büro, sondern lief barfuß am Strand entlang oder radelte durch die Dünen. Das Wetter las ich nicht mehr abends im Handy nach, sondern spürte die Sonne auf der Haut und den Wind im Haar.
Durch meine Hand flossen Sätze, wie "Je höher ich die Karriereleiter erklimme, desto tiefer stürze ich in die Bewegungslosigkeit" oder "Ein Zuviel produziert ein Zuwenig". Im Schreiben komme ich mir doch immer noch am besten auf die Schliche. Das Ganze hätte ziemlich deprimierend enden können, aber mir wurde schreibend auch eines klar: "Ich mag meinen Ort (das, was ich tue). Ich möchte nichts Anderes machen, nur anders." Eine wichtige Erkenntnis und wohl der Grund dafür, dass ich mich nicht längst schon im Burnout befinde.
Inzwischen liegen bereits sechs Wochen des neuen Schuljahres hinter mir. Die ersten Katastrophen haben nicht lange auf sich warten lassen. Unsere neue Deutschlehrkraft hat direkt wieder gekündigt und es vergeht nicht eine Woche ohne Erkrankungen im ohnehin kleinen Kollegium. Der Alltag nimmt darauf keine Rücksicht. Wir haben neue Klassen, Ausbildungsmessen, Beratungsgespräche, Schulveranstaltungen ... . Das kostet Kraft, gibt aber auch welche. Unsere Titelverleihung "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" war eine gelungene Veranstaltung und Auftakt zu etwas sehr Wichtigem.
Ich habe die Leitung des Aufbaus der neuen Schule inzwischen abgegeben und führe "nur noch" Beratungsgespräche dafür. Einen solchen Schritt bin ich in meinem bisherigen Arbeitsleben noch nie gegangen - einen Schritt zurück. Ich habe etwas abgegeben, was mir zugetraut wurde, weil ich gemerkt habe, dass es für mich alleine nicht zu schaffen ist. Der Spruch einer Bekannten, die ihren eigenen kleinen Laden - ein Herzensprojekt - wieder geschlossen hat, war mir dabei eine echte Hilfe: "Es gibt einen Unterschied zwischen 'aufgeben' und wissen, wann genug ist."
Als ich der Geschäftsleitung gegenüber endlich deutlich meine Überforderung äußerte, wurde das erstaunlich positiv aufgenommen - mit Wertschätzung für das bisher Geleistete, Bedauern, aber auch Verständnis. Ich habe die Möglichkeit bekommen, Coaching in Anspruch zu nehmen und das tut mir richtig gut. Hier ist mir klar geworden, dass ich mir oft zu viel Verantwortung aufbürde, mich für das Befinden meines Kollegiums und der Schülerinnen und Schülern verantwortlich fühle. Schwarz auf weiß zu sehen, was uns alle belastet und wie wenig ich davon verändern kann, wäre vielleicht ein Grund für Resignation, war für mich aber in erster Linie eine Erleichterung. Wie lautete noch gleich der gute alte Spruch?
"Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden."
Da stehe ich also gerade - als Lernende. Und als Staunenden, denn Gott hat mir wieder einmal im richtigen Moment die richtigen Menschen, Orte, Sätze und Bücher an die Seite gestellt. Die Schreibexerzitien, den Coach. Eine gute Freundin, die eine Seelsorge-Ausbildung macht und mich ebenfalls durch diesen Prozess begleitet. Ich bin sozusagen ihre "Testklientin", aber ich nehme so viel aus unseren Gesprächen mit.
"Ich möchte nichts Anderes machen, nur anders", steht in meinem Norderney-Schreibheft. Nun denn, ich bin auf dem Weg.
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Manuela (Sonntag, 22 Oktober 2023 17:23)
Liebe Nici,
danke, dass du uns an deinen Gedanken, Sorgen, Zweifeln teilhaben lässt und auch wie du damit umgehst. Fühl dich herzlich umarmt. Auch ich stehe momentan an so einem Punkt und nehme deinen Umgang damit als Inspiration. ❤️
Frank aus Schweden (Sonntag, 22 Oktober 2023 18:26)
Hej!
Es gibt bestimmt Dinge / Geschehnisse/ Bereiche, wo DU und DEIN EINSATZ etwas bewirkt oder einen Unterschied macht. Und das ist gut so. UND gleichzeitig kannst du nicht die Schule retten, nicht deine Schule und nicht das Schulsystem: wenn Lehrer fehlen, wenn Schulstunden ausfallen müssen, undundund. Auf das Erste kannst du stolz sein, das Zweite ist nicht deine Verantwortung...
annette (Montag, 23 Oktober 2023 15:50)
.....die überschrift hat mich schon sofort angesprochen und dein schreiben darüber noch mehr.....das will ich mir auch öfters sagen lassen....und gebe es auch an meinen mann weiter....
herzlichst
annette
H & F (Mittwoch, 25 Oktober 2023 12:27)
Manchmal muss man Entscheidungen treffen, die im Herzen wehtun, doch der Seele Frieden geben.“
– Unbekannt
D U bist in unserem Leben der wichtigste Mensch und wir wollen dich glücklich sehen...